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Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood

Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood

Titel: Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cordy
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durch das Ketamin vorüber war. Er drehte sich, um auf dem geschliffenen Amethyst ein wenig bequemer zu liegen. Dann entspannte er seine Hand und versuchte, sich aus dem garrotteähnlichen Griff der seidenen Kordel zu befreien, doch je mehr er daran herumzog, desto straffer wurde sie.
    Er hatte keine Ahnung, ob es Tag war oder Nacht. Da sah er einen stecknadelgroßen hellen Punkt in der Spitze des konischen Dachs und bemerkte, dass es im Raum nicht mehr ganz so dunkel war wie zuvor. Er kniete sich hin und blickte hinüber auf den konkav geformten Tisch. Seine weiße Oberfläche war zum Leben erwacht und wurde von bewegten Bildern erhellt, die eine Linse auf der Spitze des konischen Dachs dorthin projizierte. Es musste kurz nach Tagesanbruch sein, doch als die Linse sich weiterbewegte, war es hell genug, um ein klares und detailliertes Panorama des Dorfes in der Camera obscura abzubilden.
    Fox beobachtete, wie die Mitglieder der Indigo-Familie aus ihren Hütten kamen und ihren jeweiligen Aufgaben nachgingen, wobei viele von ihnen auf den großen Saal zusteuerten, ohne Zweifel, um die letzten Vorbereitungen für das Esbat-Fest zu treffen. Von einer plötzlichen Unruhe getrieben, sprang er auf und dehnte seine Muskeln. Die Bewegung ließ die Lampen aufleuchten. Es war nur ein schwaches, dämmriges Licht, doch nach seiner Nacht in der Finsternis freute Fox sich darüber wie über das Licht der Sonne.
    Auf der Plinthe, neben dem schwarzen Buch, lag die in Leder gebundene Familienbibel, die Regan von Connor gestohlen hatte. Fox blätterte durch die alten vergilbten Seiten und stellte überrascht fest, dass viele davon mit roter Tinte verschmiert waren. Einzelne Wörter oder Kapitelüberschriften waren eingekreist oder unterstrichen wie in einem Schulbuch. Im Buch Kohelet 12:6 hatte jemand die Worte ehe der silberne Strick zerreißt dreimal unterstrichen und jede Erwähnung der Grigori oder der Nephilim in der Genesis und im Buch Mose rot umrandet.
    Ganz vorne in der Bibel lag ein großes, wie eine Ziehharmonika zusammengefaltetes Blatt Papier, das sich, als Fox es öffnete, als wunderschön illustrierter und kalligraphierter Familienstammbaum entpuppte. Er ging viele Jahrhunderte zurück zu der Zeit, als die Delaneys zum ersten Mal in Irland auftauchten. Fox fielen zwei Dinge auf. Zum einen waren die Namen der Männer in fetten Großbuchstaben geschrieben, die der Frauen in normalen Kleinbuchstaben. Zum anderen stand hinter den meisten der Namen ein Sternchen, was nach der Legende am Kopf der ersten Seite bedeutete, dass diese Personen das mothú besaßen. Als er sah, wie viele Familienmitglieder diese Gabe geerbt hatten und wie weit sie sich zurückverfolgen ließ, verstand er, wie wichtig sie einst für die Delaneys gewesen sein musste. Einige der Linien im Stammbaum zeigten, dass in zahlreichen Fällen enge Verwandte untereinander geheiratet hatten, um das mothú in der Familie zu halten. Er faltete den Stammbaum weiter auseinander, bis er auf Regan Delaneys Namen stieß.
    Unten im Turm wurde eine Tür geöffnet und Fox hörte, wie jemand die Treppe heraufkam. Sein Herz setzte für einen Schlag aus. Sie kamen, um ihn zu holen. Durch die Öffnung in der Mitte des Lotussymbols erschien Kaidan und trat ins Zimmer. Zwei Männer in indigofarbenen Roben begleiteten ihn. Als der Hüne die Bibel sah, kam er herüber und nahm sie Fox aus der Hand. » Ich habe mir nur Ihre Familiengeschichte angesehen und kam nicht umhin zu bemerken, wie patriarchal sie ist«, sagte Fox.
    » Das geht Sie nichts an«, knurrte Kaidan und legte die Bibel zurück auf den Sockel.
    » Die Frauen scheinen allein zur Fortpflanzung zu dienen«, sagte Fox, » was seltsam ist, wenn man bedenkt, wie viel Bedeutung Ihr Vater und seine Vorfahren dem mothú beimaßen. Wussten Sie, dass Synästhesie in der Regel von den Frauen weitervererbt wird?«
    Kaidan ignorierte ihn, zog ein großes Messer aus seinem Gürtel und zerschnitt die seidene Fessel an Fox’ Handgelenk. Dann schlang er ihm eine andere seidene Kordel um beide Handgelenke und zog sie fest. Aus dieser geringen Entfernung, unter dem Geruch von Seife und Shampoo, bemerkte Fox den leichten Gestank. Obwohl er frisch geduscht war, verbreitete Kaidan den Geruch des Todes. Von Gerichtsmedizinern, die täglich mit Toten hantierten, wusste Fox, dass sie manchmal zwei- oder dreimal duschen mussten, um den Leichengeruch abzuwaschen, doch er vermutete, dass Kaidan vielmehr an einer schwachen Form von

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