Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
redete er in einer fremden Sprache. » Er ist mein Vater. Er ist der Seher«, sagte er noch einmal. » Alle gehorchen ihm.«
» Das stimmt nicht«, entgegnete Fox sanft. » Sie haben seine Befehle missachtet, als Sie die drei Männer in Portland getötet haben. Wieso? Anfangs dachte ich, dass es Ihnen dabei nur um den sadistischen Kick ging, aber es steckt mehr dahinter, nicht wahr?«
Kaidans Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. » Sie haben mir nichts bedeutet.«
» Warum haben Sie sich dann so viel Mühe gegeben? Warum haben Sie sich ausgerechnet Mörder und Vergewaltiger ausgesucht, um sie dann auf die gleiche Weise zu töten, wie die es mit ihren Opfern getan haben? Und warum haben Sie den Toten ein Foto von Sorcha mit dieser kryptischen Botschaft an die Stirn geheftet? Was soll das heißen, Kaidan: › Diene dem Dämon, rette den Engel‹? Sprechen Sie von dem Dämon in Ihnen oder ist der Dämon jemand anderer …?«
Kaidan trat einen Schritt zurück, das Messer noch immer erhoben. Sein verwirrter Gesichtsausdruck zeigte Fox, wie zerrissen der junge Mann innerlich war. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal selbst, warum er getan hatte, was er getan hatte – zumindest nicht bewusst.
» Was wird mit Sorcha geschehen, Kaidan? Sollen wir beide getötet werden, damit Ihr Vater uns in seine Sammlung aufnehmen kann?«
Kaidan lächelte kalt. » Sie haben es immer noch nicht verstanden, nicht wahr? Menschenkinder zu töten ist für meinen Vater nichts anderes, als Vieh zu schlachten, aber Sorcha ist kein Menschenkind. Sie ist seine Tochter. Sie ist etwas Besonderes.« Er ging zur Tür. » Sie hat etwas Göttliches.« Als er von seiner Schwester sprach, bekam Kaidans barscher Tonfall einen weichen Klang, und Fox spürte Wehmut, ja sogar Zuneigung in seiner Stimme. Er dachte daran, wie beschämt Kaidan gewesen war, als Sorcha ihren Vater beschuldigte, Aurora getötet zu haben. Nach seiner Erfahrung waren Psychopathen unfähig, Scham zu empfinden. Dann erinnerte er sich an den Opferstein im Arbeitszimmer seines Onkels. Als Kaidan ihn berührt hatte, musste er die intensiven Todesechos zahlloser Menschen gespürt haben, die man geopfert hatte, Frauen, denen man bei lebendigem Leib das Herz herausgerissen hatte. Vielleicht war es nicht bloß Überraschung gewesen, die Kaidan den Stein hatte zu Boden stoßen lassen. Vielleicht hatte er auf die Echos ebenso angewidert und entsetzt reagiert, wie jeder vernünftige Mensch es tun würde. Wenn dem so war, besaß er vielleicht doch noch die letzten Reste eines Gewissens.
» Als Sie sagten, dass Sie den Seher erst ein Mal enttäuscht haben, hatte das etwas mit Sorcha zu tun? War es etwas, das Sie trotz seines Befehls nicht getan haben – oder nicht tun konnten?«
Kaidan steckte das Messer wieder ein und wandte sich zur Tür. » Hören Sie auf, mich analysieren zu wollen. Was in Portland passiert ist, hat keine Bedeutung. Es ist Vergangenheit. Alles, was zählt, ist die Zukunft, und Sorcha und ich, wir beide sind die Zukunft. Wir sind die einzigen violetten Nachkommen, die mein Vater gezeugt hat, und ohne sie gibt es kein Großes Werk.« Er sah Fox fest in die Augen. » Sie sind Psychiater, deshalb glauben Sie, dass Sie die Menschen durchschauen. Aber um meinen Vater zu verstehen, müssen Sie über die unbedeutenden Gedanken der Menschenkinder hinausblicken und danach streben, den Geist Gottes zu erkennen.« Er klopfte an die Tür und wartete darauf, dass die Wächter ihn rausließen. » Sie haben keinen blassen Schimmer, was er mit Sorcha vorhat«, sagte er, als die Tür geöffnet wurde. Bevor er sie hinter sich schloss, hielt er noch einmal inne. » Und mit mir.«
Als Fox aus dem Fenster auf die Vollblüter in der Koppel blickte und an die Familienbibel der Delaneys dachte, konnte er sich sehr wohl vorstellen, was der Seher vorhatte. Als klinischer und forensischer Psychiater hatte Fox schon viele schreckliche Dinge erlebt, aber bei dem Gedanken an das, was Sorcha erwartete, erschauderte er.
57
Sein Gespräch mit Fox über die Morde in Portland hatte Kaidan ziemlich durcheinandergebracht und ihm einige Kopfschmerzen bereitet. Was zur Hölle hatte dieser Seelenklempner von ihm gewollt? Kaidan hatte sich seine Opfer oder die Art, sie zu töten, nicht aus irgendeinem bestimmten Grund ausgesucht. Er hatte ganz impulsiv gehandelt, um die Spannung, die sich in seinem Kopf aufgebaut hatte, zu lindern.
Oder etwa nicht?
Er massierte sich die Schläfen und verfluchte
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