Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
wenn auch nur in der Gestalt von Vega – und seine Opfer zu rächen, gab Ihnen zum ersten Mal seit Ihrer Kindheit ein gewisses Selbstwertgefühl. Nachdem Sie Vega getötet hatten, machten Sie sich im wildreichen Jagdrevier von Old Town auf die Suche nach anderen Männern wie ihm: Vergewaltiger und Frauenmörder. Sie alle dienten sozusagen als Stellvertreter für Ihren Vater. Indem Sie sie umbrachten – auf dieselbe Weise, wie sie zuvor ihre Opfer getötet hatten –, bestraften Sie Ihren Vater, schützten Sorcha und rächten ihre Mutter. In Ihren Augen standen die Mörder stellvertretend für Ihren Vater und seine Opfer für Ihre Schwester, und deshalb haben Sie ihnen auch Sorchas Foto ins Gesicht geheftet.
Trotz Ihrer bedingungslosen Loyalität dem Seher gegenüber und entgegen all seinem Gerede, dass die Indigo-Familie von Engeln abstammt, war Ihnen innerlich bewusst, dass er ein Dämon ist. Die Nachricht, die Sie an den Tatorten hinterlassen haben, zeigt diesen inneren Konflikt, Ihr Dilemma. Sollten Sie Ihrem Vater dienen oder Sorcha retten? Beides ging nicht, Sie mussten sich entscheiden. Mittlerweile glaube ich, Sie sind in die Klinik und auch in das Haus meiner Tante eingebrochen, weil Sie Sorcha eigentlich retten wollten. Sie wussten, dass Ihr Vater kommen würde, um sie zurückzuholen, und wollten sie irgendwo hinbringen, wo er Sorcha niemals finden würde – oder Sie beide.«
Kaidan starrte ihn an, sagte aber nichts.
» Ich weiß, was Ihr Vater von Ihnen verlangt hat, als Sie ihn enttäuscht haben, Kaidan. Und ich gehe davon aus, Sie sollen es heute Nacht noch einmal tun. Aber Sie haben nicht versagt. Verstehen Sie das denn nicht? Als Sie sich ihm widersetzten, haben Sie das Richtige gemacht. Ihre gute Seite hat gewonnen. Was auch immer Sie in der Vergangenheit getan haben, Kaidan, Sie können immer noch derjenige werden, der Sie sein möchten. Es sind die Entscheidungen, die Sie jetzt treffen, heute, die zeigen, wer Sie sind. Sie wollten Ihrer Halbschwester nicht wehtun, weil Sie es gar nicht über sich gebracht hätten. Vielleicht wollen Sie es nicht akzeptieren, aber …«
» Aber was?«, knurrte Kaidan. » Ich liebe sie? Ich liebe sie nicht. Das tun Sie.«
Es war die Antwort eines trotzigen Schuljungen, aber dennoch brachte sie Fox für einen Augenblick aus dem Konzept. In der Stille drangen gedämpfte Geräusche von draußen herein: Vogelgesang, aufgeregtes Lachen und das Wiehern der Pferde. Er brachte sein Gesicht ganz nah an Kaidans heran. » Das Wichtigste aber ist, dass Sie die Fähigkeit haben, sich Ihrem Vater zu widersetzen, Kaidan, und diesen Wahnsinn zu beenden«, sagte er. » Sie müssen dem Dämon nicht länger dienen. Sie können den Engel retten. Und indem Sie Sorcha retten, können Sie sich selbst retten.«
Fox sah, wie in den Augen seines Gegenübers etwas aufleuchtete. Er hatte verstanden. Kaidan öffnete den Mund und wollte gerade etwas sagen, als die Tür geöffnet wurde und die beiden Wächter in die Hütte traten. Als sie die Gewehre hoben und auf Fox richteten, lächelte Kaidan ihn an. » Was haben Sie jetzt vor?« In seinem Lächeln lag eine Spur von Schwermut. Dann verschwand das Lächeln. » Tun Sie’s. Durchtrennen Sie die Arterie oder schneiden Sie mir die Eier ab. In beiden Fällen lösen Sie das kleine Problem Ihrer geliebten Sorcha. Oder haben Sie etwa keine Eier in der Hose?«
Es wäre so leicht, eine kleine Drehung im Handgelenk und der Mann würde verbluten. Aber so einfach war es nicht. Nicht für Fox.
Wie ein wildes Tier spürte Kaidan Fox’ Zögern. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck ergriff er die Hand, in der er das Messer hielt. » Sie sind ein verdammter Feigling. Holt ihn runter von mir!«, befahl er den Wächtern, die mit ihren Gewehren auf Fox einprügelten, bis dieser das Messer fallen ließ. Kaidan stand auf, nahm die Waffe und untersuchte sich auf Verletzungen. Stirnrunzelnd sah er auf Fox hinunter. » Sie hätten es tun sollen. Das erste Mal ist immer das Schwierigste, glauben Sie mir.« Er wandte sich zur Tür.
» Retten Sie den Engel, Kaidan«, rief Fox ihm nach. » Dienen Sie nicht dem Dämon. Wenn Sie dem Seher dieses Mal gehorchen, wird es kein Zurück mehr geben. Sie werden den einen Menschen zerstören, den Sie lieben, und für immer ein Sklave Ihres Vaters sein. Zu was auch immer er Sie in der Vergangenheit gezwungen hat, hierzu kann er Sie nicht zwingen. Er kann Sie nicht zwingen, mit Ihrer eigenen Schwester zu schlafen!«
In
Weitere Kostenlose Bücher