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Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood

Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood

Titel: Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cordy
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wehmütig. » Ich weiß es nicht. Meine eigene Farbe kann ich nicht sehen. Nicht einmal das weiß ich über mich selbst.«

18
    Das einfache Apartmenthotel war für sein Vorhaben geradezu perfekt. Es lag an der Grenze zwischen Pearl und Old Town, war unauffällig, billig und anonym. Sein Apartment hatte eine voll ausgestattete Küche, so dass er essen konnte, wann er wollte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Und die Angestellten hielten sich daran, wenn man das » Bitte nicht stören«-Schild an die Tür hängte. Soweit er das beurteilen konnte, hatte in den vier Tagen, die er nun in der Stadt war, niemand das spärlich möblierte Zimmer betreten. Aber das Beste an dem Apartment war der separate Eingang, was bedeutete, dass er unbemerkt kommen und gehen konnte.
    Vor einer halben Stunde hatte er sein drittes Opfer ins Jenseits befördert. Von den drei Morden war dieser jedoch der brutalste und unbefriedigendste gewesen. Während er das Messer in die Küchenspüle legte und sich die blutigen Sachen auszog, schwor er sich, dass es das letzte Mal gewesen war – nicht zuletzt, weil die Chancen, ein anderes würdiges Opfer zu finden, äußerst gering waren.
    Er zog sich aus, steckte die Sachen in die winzige Waschmaschine und ging unter die Dusche, wo er seinen Körper mit Seife schrubbte, um den Geruch abzuwaschen. Nachdem er sich wieder abgetrocknet hatte, nahm er sein Handy und lief im Apartment auf und ab. Sein nackter, muskulöser Körper zeigte nicht die wohldefinierten Formen, die man sich im Fitness-Studio antrainierte, sondern die rohe Kraft eines Mannes, der es gewohnt war, harte körperliche Arbeit zu verrichten. Der obere Teil seines breiten Rückens war mit einem Muster aus dicken Striemen und hellen Narben übersät, die Hinterlassenschaften der Schläge, die er als Kind bekommen hatte. Während er im Zimmer auf und ab lief, klickte er sich wie besessen durch die Videoclips auf seinem Handy in der Hoffnung, das flüchtige Gefühl von innerem Frieden wiederzuerlangen, das er während der Morde an den drei Männern gespürt hatte. Doch egal wie oft er die Videos anschaute, die Aufnahmen der letzten Minuten im Leben seiner Opfer waren nur ein schwaches Abbild der Wirklichkeit, zu wenig, um sein Bedürfnis zu befriedigen. Idealerweise müsste er dafür zu den Tatorten zurückkehren, aber das war zu riskant.
    Als er in dieser fremden Stadt angekommen war, hatten ihm ihre unbekannten Gerüche, Geschmäcker, Anblicke und Geräusche vor Aufregung fast den Atem verschlagen. Wie in Trance war er durch Old Town gewandert, hatte sich seinen Weg um die dunkleren Ecken herum erspürt, die heruntergekommenen Lagerhallen erkundet, die billigen Hotels, Bordelle und Gassen. Er hatte sich eingeredet, seine Obsession mit den dunklen Eingeweiden der Stadt sei wichtig für seine Jagd, den Grund seines Herkommens. Doch das stimmte nicht. Er war durch die finsteren Orte dieser Stadt gestreift, weil sie seine Sinne entflammt hatten. Noch nie hatte er sich so wach und lebendig gefühlt. Er war wieder ein kleiner Junge, jedes einzelne Erlebnis war so frisch und unverfälscht wie bei einem Neugeborenen. Selbst das süße trübe Bier, das er an seinem dritten Tag in der Shanghai Bar getrunken hatte, war ihm wie Nektar vorgekommen im Vergleich zu dem brennenden Alkohol, den er gewohnt war.
    Als das Ziel seiner Suche ihn dann vom Fernsehbildschirm aus angestarrt hatte, hatte der Schrecken beim Anblick ihres Gesichts einen verwirrenden Gefühlscocktail in ihm ausgelöst: freudige Erregung, Frust, Angst. Erst als er von ihrer Amnesie hörte, wusste er, dass er noch Zeit hatte, wertvolle Zeit.
    Dann hatte er den Mann in der Bar bemerkt.
    Er war diesem Mann nie zuvor begegnet, und sein Gesicht war älter als das Bild, das er im Kopf hatte, aber es gab keinen Zweifel: Er war es. Wieder blickte er zu dem Gesicht auf dem Fernsehbildschirm, und als sein kranker Geist die Verbindung herstellte, durchströmte ihn ein schwindelerregendes Gefühl von Macht. Hier draußen unter den Menschenkindern, frei von den Zwängen, die ihn sonst einschnürten, konnte er einfach er selbst sein: ein mächtiger Dämon, der ungehindert seine dunklen Instinkte auslebte.
    Auch jetzt spürte er wieder den Drang zu töten, wenn auch nur, um dem Krieg in seinem Kopf für eine Weile zu entkommen. Seine Schläfen pochten von dem ständigen Druck, dem Konflikt zwischen Pflichtgefühl und Glaube an das Schicksal, die ihm seit seiner Geburt eingetrichtert worden waren, und dem

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