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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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blieb aber eine andere, höchst eigentümliche Persönlichkeit, und das war der alte Forstwart, wie er dort überall hieß. Dieser, ein origineller Kauz, aber ein durchaus braver und rechtlicher Mann, hatte seine Karriere auf dem preußischen Gute von der Pike auf gemacht, das heißt vom Holzdieb bis zum Forstwart, wo er halten blieb, und jetzt, in seinem hohen Alter, eigentlich mehr das Gnadenbrot aß, als noch wirklichen Nutzen leistete. Dabei hing er an dem alten Platz, besonders an seinem Walde – denn um die Menschen bekümmerte er sich wenig oder gar nicht – mit einer Zuneigung, die man in dem sonst so abgeschlossenen und selbst scheuen Gesellen gar nicht gesucht haben würde. Der Förster war allerdings sein Vorgesetzter, aber er bekümmerte sich wenig um ihn und tat seine Pflicht, ohne ihn viel damit zu belästigen. Jener war auch gern damit zufrieden, wenn er nur den Holzfrevlern ein wenig auf die Finger sah und im Winter dem Raubzeug Fallen stellte, und zu beiden Beschäftigungen ließ sich niemand besser verwenden als der alte, für seine Jahre aber noch außerordentlich rüstige Forstwart Barthold. Die Holzfrevler fürchteten nämlich den alten Mann weit mehr und gingen ihm weit sorgfältiger aus dem Wege, als wenn er der jüngste und kräftigste Forstgehilfe gewesen wäre, denn sie glaubten: er könne mehr als Brot essen, das heißter stände mit verschiedenen über- und unterirdischen Mächten im Bunde, was sich mit dem Seelenheil eines gewöhnlichen Christen nicht vertrug. Ging er doch auch in keine Kirche, und man erzählte sich von ihm im Dorfe die tollsten und abenteuerlichsten Geschichten – und doch gab es kaum ein harmloseres Wesen in der weiten Umgegend als eben diesen braven alten Forstwart. Nur dem Raubzeug im Walde, den Füchsen, Mardern, Wieseln, Iltissen und wilden Katzen war er ein grimmer und schlauer Feind, weil sie Sicherheit und Leben seiner lieben Waldsänger, der Vögel, bedrohten.
    Etwa zehn Minuten Weges – oder eine halbe Pfeife Tabak, wie die Bauern manchmal ihre Wege messen – von dem Rittergut Schildheim entfernt, und dicht am Ufer des kleinen schilfbewachsenen Sees, lag ein sehr freundliches Dorf gleichen Namens mit einigen wohlhabenden Bauern, wie auch von den Arbeitern bewohnt, die auf dem Gute ihre Nahrung fanden. Dort war eben Kirchweih abgehalten worden, und die Bauern und Insassen feierten jetzt noch – gewissermaßen zur Erholung von den überstandenen Festlichkeiten – die Nachkirchweihe in einer Art von verlängertem blauen Montag. Die Köpfe wüst von vielem Tanzen und Trinken und den verschiedenen durchschwärmten Nächten, hatten sie noch keine rechte Lust, wieder zu ihrer regelmäßigen, steten Arbeit zurückzukehren und glaubten die Zeit denn natürlich nicht besser anwenden zu können, als wenn sie das früher begonnene Zechen ein klein wenig länger fortsetzten. Der arbeitsame Bauer ist schwer aus seiner altgewohnten täglichen Beschäftigung herauszubringen; wenn aber einmal draußen, bekommt er sich selber auch nur äußerst schwer wieder hinein. – Er weiß das selber dabei recht gut und läßt sich deshalb eben Zeit dazu.
    Im Dorfe war ein ziemlich großes Wirtshaus: Zum Stern; denn die Chaussee führte um den See herum und wurde besonders stark von Fuhrleuten befahren, welche die Landesprodukte früher bis an die See nach Wismar, seit Errichtung der Eisenbahn aber, mit noch viel lebendigerem Verkehr, nach der nächsten, etwa sechs Meilen entfernten Eisenbahnstation schafften. Der Stern bildete denn auch jetzt den Mittelpunkt, in welchem die Honoratioren des Ortes zusammenkamen, bei Wein oder Bier die Nachwehen der überstandenen frohen Tage zu vertreiben, und selbst der alte Verwalter vom Schloß, eigentlich kein Wirtshausgänger, war heute unter ihnen und saß mit einem Glase Wein vor sich am runden Tisch in der untern Stube, denn kaltes, unfreundliches Wetter hatte die Gäste in das Inneredes Hauses getrieben. Der alte Verwalter war aber eigentlich nicht bloß, um zu trinken, heruntergekommen, sondern er brauchte Leute aus dem Dorfe zur Arbeit und wußte, wie schwer es hielt, sie selbst von der Nachkirchweihe fortzulocken. So willig sie sich sonst auch finden ließen, heute wichen sie ihm aus, und der alte Mann, der nicht hinter ihnen herlaufen konnte, hatte sich deshalb hier wie die Spinne mitten in das Netz gesetzt, wo sie ihm, wie er recht gut wußte, doch zuletzt anlaufen mußten. Neben ihm, ineinander gedrückt und schläfrig, saß ein

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