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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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anderer alter Gesell, der faule Tobias, wie sie ihn im Dorfe nannten. Er sah fast wie ein Müller aus, mit seinem hellblauen, weiß bestaubten Rock, war auch früher ein Müller und noch dazu ein ganz tüchtiger gewesen, und wohnte in der untern Mühle, aber nur zum Auszug. Er hatte vor längeren Jahren Mühle wie Anwesen an seinen Schwiegersohn verkauft und sich nur, wie das häufig Sitte ist, seinen Auszug, das heißt Wohnung und Verpflegung bis zum Tode, vorbehalten, dann das Geld genommen und lustig damit gelebt, und jetzt hieß es allgemein, daß er wohl bald mit der erhaltenen Summe fertig sein müsse. Das aber kümmerte ihn gar wenig. Ohne die geringste Beschäftigung war er den Vor- wie Nachmittag sicher im Stern zu treffen. Nur an warmen Tagen ging er manchmal mit der Angel an den Bach, aber er war selbst zu faul, Würmer zu suchen, besteckte seine Angel deshalb nur, legte sie ins Wasser und sich daneben in den Schatten irgendeines Baumes und schlief so lange, bis er durstig wurde. Dann stand er auf, packte sein Angelzeug zusammen und ging wieder in den Stern, und die Leute im Dorfe nannten ihn so mit Recht nur den faulen Tobias.
    Daß der Bursche nicht zum Arbeiten zu bringen war, selbst wenn er noch hätte arbeiten können, wußte der Verwalter recht gut, richtete deshalb auch kein Wort an ihn, und die beiden saßen eine Weile schweigend nebeneinander, wobei Tobias manchmal mit den rotgeränderten und feuchten Augen nach ihm hinüberblinkte und sich nur bewegte, wenn er sein Glas hob oder es von frischem füllen ließ.
    »Na,« nahm da endlich Tobias das Gespräch auf, denn es verdroß ihn, daß ihn der Verwalter keines Wortes würdigte, »wird ja jetzt bald ein anderes Leben in dem alten Schlosse werden, he? – kommt heute ein neuer Pächter hinein, der wahrscheinlich einmal ein bißchen reine Bahn macht.«
    »Möglich,« sagte Schönle, der Verwalter, trocken. »Euch wird er aber doch wohl nicht ändern können.«
    »Mich? – ne – wäre auch schade,« lachte Tobias stillvergnügt vor sich hin, denn er wußte jetzt, daß er den Verwalter geärgert hatte, »bin so hübsch genug und muß nun auch so bis an mein Ende – daß Gott der Herr mir und meinem Schwiegersohne zuliebe wohl noch ein paar Jährchen hinausschieben wird – aufgebraucht werden; hehehe!«
    Der Verwalter antwortete ihm nichts darauf, trank einen Schluck aus seinem Glas und sah ungeduldig nach der Tür. Die Gesellschaft gefiel ihm nicht, und er wäre gern aufgestanden, hätte er nur irgendwo anders einen passenden Platz gehabt. Der Alte merkte dies recht wohl, aber noch viel zudringlicher fuhr er fort: »Es hieß ja einmal eine Weile im Orte, der Herr Verwalter würden den Pacht selber übernehmen, he? Der gnädige Herr da draußen hat aber wohl nichts davon wissen wollen? Ja – ist eine alte Geschichte: der Prophet gilt nichts im eigenen Lande; hehehe!«
    Damit hatte er übrigens, wie er recht gut wußte, des Verwalters wundesten Fleck getroffen. Der alte Mann stand auch auf, trank sein Glas aus und sagte: »Ihr seid ein unverbesserlicher Schwätzer, Tobias, und ein so nutzloses Subjekt, wie je auf zwei Beinen herumgetaumelt ist. Wenn Ihr einmal nüchtern seid, will ich weiter mit Euch reden.« Und damit wollte er sich von dem höhnisch zu ihm aufschauenden Alten abdrehen, als die Tür aufgerissen wurde und einer der Gutsleute atemlos hereingestürzt kam.
    »Sie sind da – sie sind da!« schrie der Bursche, ohne nur zu grüßen, den Verwalter an, »eben fahren sie die Allee hinauf – zwei Wagen hintereinander!«
    »Alle Wetter!« rief der Verwalter erschreckt, »und ich sitze hier und verschwatze die Zeit mit dem – Lump da!« Und ohne weiter einen Blick zurückzuwerfen, fuhr er aus der Tür, sprang auf sein draußen angebundenes Pferd, das der Knecht rasch von dem eisernen Ringe löste, und sprengte, was dieses laufen konnte, den breiten Fahrweg hin, der nach dem Schlosse hinauf führte. Der alte Tobias sah ihm tückisch nach.
    »Lump?« brummte er leise und grimmig vor sich hin, »na warte, Alter, den Lump werde ich dir gedenken, preußischer Dickkopf, der sich immer aus was Besserem gemacht denkt! – Verwalterhacke, auf eine Ochsenjungenpeitsche gepropft – wenn ich die Zeit nur noch erlebe, daß sie dich vom Hofe jagen. – Lump! – selber einer« – undmit den giftig herausgestoßenen Worten goß er den letzten Rest seines Kruges hinunter.
    Oben im »Schlosse ging es indessen lebhaft zu, denn mit Blitzesschnelle hatte

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