Der Kunstreiter
sich die Nachricht von dem Eintreffen des Gutsherrn wie des neuen Pächters, die eigentlich erst auf morgen angesagt waren, verbreitet. Die Leute sammelten sich rasch im Schloßhofe, und eben, als die Wagen über die etwas morsche Brücke des sogenannten Teichgrabens rasselten, sprengte auch schon der Verwalter von der andern Seite vor das Herrenhaus und behielt gerade noch Zeit, sein Pferd einem der Knechte zu übergeben und sich selber dem Pächter anzuschließen, um die Herrschaft zu empfangen. Die Wirtschafterin war allein nicht fertig geworden und in ihre Kammer hinaufgesprungen, wo sie in aller Hast und Eile den Schlüssel suchte, den sie schon von Anfang an in der Hand hielt, um eine reine Schürze vorzubinden und eine frische Haube aufzusetzen.
Die beiden Wagen hielten jetzt vor dem Herrenhause, der alte Verwalter sah aber kaum die beiden Herren und die elegant gekleidete Dame, die aus dem ersten stiegen und von dem Pächter auf das Ehrfurchtsvollste begrüßt wurden. Sein Auge hing vielmehr an dem zweiten, in dem ein ältlicher Mann mit zwei Kindern saß. Hatte der neue Pächter sich seinen Verwalter gleich mitgebracht und konnte er jetzt gehen, um sich auf seine alten Tage sein Brot wo anders in der Welt zu suchen? Den alten Mann überlief es siedend heiß; ein eigenes Zittern überkam ihn, und die fremden Gestalten flimmerten und zuckten ihm vor den Augen, daß er kaum imstande war, sie voneinander zu unterscheiden. Nur einen von ihnen allen kannte er schon, den Herrn Rittmeister von Geyerstein, der zuerst aus dem Wagen gesprungen war und der Dame jetzt die Hand bot, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Wie behend aber gerade die Dame von dem ziemlich hohen Wagentritt, nur leise die ihr gebotene Hand berührend, niedersprang! Der Pächter kam dadurch mit der Anrede ganz aus seinem Konzept, und der Rittmeister hatte seine Hand genommen und geschüttelt, ehe er imstande gewesen war, ihn zu begrüßen.
Auch die Insassen des zweiten Wagens stiegen jetzt aus, und das kleine Mädchen hatte zum Entsetzen der Mägde ebenfalls von oben herunterspringen wollen; aber der ältliche Mann, der bei ihnen saß, verhinderte sie daran, ließ erst den Wagenschlag öffnen und stieg dann langsam mit den Kindern aus.
»Da sind wir denn an Ort und Stelle,« sagte jetzt Graf Geyerstein,sich freundlich zu seinem Begleiter wendend, »und ich hoffe, daß es Ihnen hier recht gut gefallen wird. Die Gegend ist fruchtbar und nicht ohne landschaftliche Reize, der hier wohnende Menschenstamm einfach und bieder, und einzelne der Nachbarn sind vortreffliche Leute, so daß es sich hier im Notfalle schon leben läßt. Unser alter Pächter hat sich hier, soviel ich weiß, ganz wohlbefunden.«
»Und würde den Platz im Leben nicht verlassen haben, Herr Graf,« sagte der Mann, »wenn nicht außergewöhnliche Umstände, wie Sie recht gut wissen, mich dazu genötigt, hätten. Ich habe hier eine frohe und glückliche Zeit verlebt und viel Gutes genossen und müßte ein schmählich undankbarer Mensch sein, wenn ich das leugnen oder auch nur verheimlichen wollte.«
»Der Platz sieht nicht übel und das Gut reinlich und freundlich aus,« bemerkte jetzt die Dame, die ein dunkles Reisekleid trug, »nur die Nachbarn scheinen mir ein etwas weitläufiger Begriff.«
»Wir haben es vorderhand auch nicht mit den Nachbarn, sondern mit uns selber zu tun,« bemerkte rasch der Fremde, »und werden allen Fleiß darauf zu wenden haben, uns tüchtig einzuarbeiten.«
»Und darin wird Sie hoffentlich mein alter Verwalter hier nach Kräften unterstützen. Wie geht's, Schönle?« mit diesen Worten wandte sich der Graf plötzlich an den alten Mann und reichte ihm die Hand. »Noch immer frisch und kräftig bei der Arbeit? Ich bringe Euch hier den neuen Pächter vom Gute und bitte Euch, nachher einmal auf mein Zimmer zu kommen. Ich habe manches mit Euch über die neue Einrichtung zu besprechen.«
»Gnädigster Herr Graf, Erlaucht –« stammelte der alte Mann, und die freundliche Anrede hatte ihm eine Zentnerlast von der Brust gewälzt, »Sie können gar nicht glauben – schon lange darauf gefreut – heidenglücklich.«
»Schon gut, Alter, schon gut,« nickte ihm der Rittmeister freundlich zu und fuhr dann, zu seinem Begleiter gewandt, fort: »Das ist ein altes Inventar des Gutes, das wir in Ehren halten müssen. Der Mann kennt jeden Stein und Baum umher, versteht seine Sache und ist brav und ehrlich. Ich hoffe, ihr sollt gute Freunde mitsammen werden.
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