Der Kunstreiter
einmal hinter den Ohren trocken sind, auch schon mitreden wollen!«
»Nu, nu,« sagte der Pferdejunge, »beiß mich nur nicht, Kathrine!« Das Mädchen antwortete ihm aber gar nicht mehr, und der Vogt meinte: »Die kleine Deern ist ein fixes Ding, drall und nett und hält sich wie ein Grenadier – der Junge scheint's mir aber hinter den Ohren zu haben. Wie er den Jahn mit seinen weiten Hosen sah, stieß er heimlich den Alten an, und der, wenn er auch keine Miene verzog, sah doch aus, als ob er sich innerlich ausschüttete – der Junge aber lachte laut heraus.«
»Na, ich möchte wissen, was sie an mir zu lachen fänden,« brummte Jahn, der Schafknecht.
»Die Madame sieht aber nicht aus, als ob sie Butter und Käse machen könnte,« meinte die Mittelmagd, ein junges dralles Ding, »sie trug auch so neumodische Handschuhe an den Händen, und mit der weißen Haut wird sie wohl noch keine Garben mit gebunden haben. Das scheinen vornehme Leut' zu sein, die neuen Pächters.«
»Ja,« meinte der Vogt, »jetzt wird alles in den Schulen und Instituten aus lauter Büchern gelehrt: das Melken und Käsemachen und das Ackern und Eggen, mit dem Pferdeputzen in den Kauf, und das haben sie denn alles da drin mit Bildern hübsch aufgezeichnet und können es nur so am Schnürchen hersagen. Den Mist lassen sie ja sogar aus Amerika kommen. Wie's aber nachher um die Wirtschaft aussieht, das ist eine andere Sache und da verexperimentieren sie denn gewöhnlich die ganze Blase, und unsereiner muß nachher mit den Fäusten wieder dreinspringen und gut machen, was die klugen Leute alles verdorben haben.«
»Wo war denn der Schafmeister heute, wie die Herrschaft kam?« fragte jetzt der eine Knecht, »der fehlt doch sonst gewöhnlich nicht bei solcher Gelegenheit.«
»Ich weiß nicht,« meinte der Schafknecht, »drunten im Ort vielleicht ...«
»Der wird wieder schön um die neue Herrschaft herumscherwenzeln,« meinte der Vogt, »aber ich passe ihm diesmal auf die Finger, darauf kann er sich verlassen.«
»Wenn Ihr nur immer was auf den Schafmeister zu hacken habt!« brummte Jahn, »der ist lange gut.«
»Aber wozu?« fragte der Vogt, und die anderen lachten. »Wo es was zu horchen und zu spionieren gibt, ja,« fuhr der Vogt fort, »irgend was der Herrschaft zu rapportieren, oder andere Menschen ...«
»Jahn,« sagte in dem Augenblick der Schafmeister, der seinen Kopf zur Tür hereinsteckte, »sieh nach den Schafen, ehe es dunkel wird – und Ihr, Vogt, habt wohl auch weiter nichts zu tun, als hier zu schwatzen?« Und damit schloß sich die Tür wieder, hinter welcher der Schafmeister wie eine Erscheinung verschwand.
Im ersten Moment herrschte in der Gesindestube Totenstille, nur der Pferdejunge hinter dem Ofen kicherte leise vor sich hin, dann aber fuhr der in seiner Würde gekränkte Vogt empor und rief, aber doch noch immer mit etwas gedämpfter Stimme: »So? – ich denkewohl, ich werde selbst wissen, was ich zu tun habe, ohne daß ich einen Schafmeister brauche, der es mir erzählt. Gewisse Leute mögen überhaupt nur denken, daß ihre Herrschaft jetzt aus und vorbei ist und die Kriecherei hoffentlich nichts mehr hilft wie vormalen.« Damit aber, als ob er jetzt alles getan hätte, um die Achtung vor seiner Stellung aufrechtzuerhalten, schob er seine Pfeife in die Brusttasche, griff seinen Hut auf und, sich zum Gehen wendend, fuhr er noch einmal die Knechte an: »Und ihr braucht auch nicht hier bei hellem lichten Tage schon dazusitzen und Maulaffen feilzuhalten. Der Verwalter wird gleich wieder unten sein, und wer dann die ewigen Nasen kriegt, das bin ich!« Und mit diesen Worten fuhr er zur Tür hinaus, um seinen Arger womöglich draußen an den Dreschern und Tagelöhnern auszulassen.
11.
An diesem Abend ließ sich die Herrschaft nicht mehr blicken; das Diner wurde oben gemeinschaftlich genommen, und dann hatte Graf Geyerstein den ganzen Abend mit seinem Pächter zu rechnen und zu revidieren, um nur die nötigsten Vorarbeiten für die auf die nächsten Tage festgesetzte Übergabe des Inventars usw. zu beseitigen. Es war zwölf Uhr vorbei, ehe die beiden Männer zu Bett kamen.
Am nächsten Morgen, früh um acht Uhr, standen schon zwei Pferde gesattelt vor dem Schlosse, und Graf Geyerstein ritt gleich darauf mit dem neuen Pächter über die Brücke hinüber und schlug den Weg nach dem Walde ein. Die Mägde, die draußen Runkelrüben ausmachten, richteten sich auf und sahen ihnen nach, so weit sie konnten; die beiden Männer
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