Der Kunstreiter
Schaden geschehen wäre. Den Holzlesern tun wir natürlich nichts. Die armen Leute brauchen im Winter auch das bißchen Holz, und draußen verfault's doch.«
»Das ist auch nicht mein Wille,« sagte freundlich der Graf. »Und wie ist's mit dem Wildstand, Förster, schreien die Hirsche noch?«
»Brav,« erwiderte der Weidmann, »da wir wußten, daß der Herr Graf selber herkäme, ist auch noch keiner das Jahr geschossen worden.«
»Vortrefflich; wenn wir Zeit haben, werden wir da nächstens einmal hinausgehen. Geyfeln, Sie sind doch Jäger?«
»Leidenschaftlich, aber ein besserer Jäger wohl als Schütze.«
»Das lernt sich alles, und das vielleicht am leichtesten; unsere Jagd ist hier nicht schlecht. Aber da seh' ich unsere Pferde. Adieu, Förster, adieu, Barthold; ich werde es euch sagen lassen, wenn wir herauskommen; oder noch besser, kommt morgen einmal hinauf aufs Schloß – ich habe so noch manches mit euch zu bereden.«
Und mit den Worten grüßte er die beiden Forstleute, und wieder zu Pferde, sprengten die Reiter auf das Gut zurück.
Der Forstwart war neben dem Förster stehengeblieben und sah ihnen nach, solange er sie zwischen den stattlichen Eichenstämmen mit den Augen verfolgen konnte. Erst als sie hinter den Büschen des Unterholzes verschwunden waren, wandte er sich kopfschüttelnd ab und wollte eben wieder an seine vorher verlassene Arbeit gehen.
»Nun Forstwart, Ihr schüttelt mit dem Kopfe,« meinte da der Förster, »gefällt Euch der fremde Pächter nicht?«
»Doch, Förster,« erwiderte der Alte, »sehr gefällt er mir, aber es kommt mir fast so vor, als ob es kein ganz Fremder wäre.«
»Nicht? – Kennt Ihr ihn von früher her?«
»Nein, Förster – ich habe sein Gesicht wohl nie gesehen, und doch kommt es mir so wunderbar bekannt und freundlich vor. Wenn ich nicht wüßte, daß...«
»Was?«
»O, nichts – ist so eine alte Idee von mir. Man bekommt auch so viele Leute im Leben zu sehen, bis einem die verschiedenen Gesichter zuletzt im Gedächtnis durcheinanderlaufen. Nachher kann mansie nicht wieder auseinander herausfinden. Ich werde schon recht alt, Förster.«
»Na, Ihr könnt noch immer eine Weile mit herumlaufen,« lachte der Förster gutmütig. »Mein Vater ist neunzig alt und noch so frisch auf den Beinen, als ob er kaum sechzig zählte.«
»Wie Gott will,« seufzte der alte Mann, ging zu seinem Sitz unter der Linde und nahm den Schwanenhals wieder auf, an dem er fortscheuerte, um das Eisen blank und rostfrei zu bekommen. Leise vor sich hin summte er dazu ein altes Lied, und manchmal sprach er dazu ein altes Lied, und manchmal sprach er auch mit sich selber, aber immer nur halblaut, daß es kein anderer verstehen konnte, und dazu nickte er zuweilen mit dem Kopfe.
Endlich war er fertig, ging in ein kleines Seitengebäude, in dem sein Zimmer lag, hing dort den Schwanenhals auf, nahm dafür seine alte einfache Flinte von der Wand, und schlenderte dann langsam, ohne sich um das für ihn bereitgehaltene Frühstück zu bekümmern, in den Wald hinein.
12.
Auf Schloß Schildheim wurde jetzt ein Doppelleben geführt. Äußerlich schien es, als ob nicht das geringste Außergewöhnliche vorginge. Was an Feldfrüchten noch draußen war, wurde nach und nach eingefahren. Die Knechte ritten morgens zum Ackern hinaus und kamen zum Mittagessen wieder heim – auf zwei Tennen wurde sogar schon gedroschen, um das junge Korn, das heuer noch einen guten Preis hatte, bald auf den Markt zu bringen. Wie die Welt draußen keinen Stillstand kennt, welchem Wechsel auch ihre einzelnen Teile unterworfen sein mögen, so ging das Wesen hier auch ruhig und ununterbrochen fort, welche wichtige Veränderung auch in der inneren Verwaltung vorgehen mochte.
Das Dienstpersonal berührte das alles nicht; das schaffte und arbeitete unverdrossen weiter, denn der Lohn ging fort, die Arbeit mußte getan werden, unter wessen Leitung das Ganze auch stand, wer auch die Zügel in die Hände nahm. »Der König ist tot! es lebe der König!« Das alte Machtwort, wie dort im großen, so hier im kleinen, übte seine alte Kraft und Eigenschaft, und als am Abend des zweiten Tages der frühere Pächter sich in seinen Wagen setzte, die Leute grüßte und zum Tor hinausfuhr, hörten die Drescher einenAugenblick mit Dreschen auf und sahen ihm nach; als aber der Wagen um die Biegung verschwand, fielen die Flegel wieder klappernd im Takt ein, und der ganze Epilog, der ihm auf der Tenne gehalten wurde, war: »Glückliche
Weitere Kostenlose Bücher