Der Kunstreiter
Schilde führe, und die Arme fest ineinander schlagend, wie um sie zu sichern, daß sie ihm nicht unwillkürlich vorgriffen, haftete nur sein düsterer Blick fest und verächtlich auf der vor ihm schwankenden schmutzigen Gestalt – dem Spottbild eines Menschen.
»Ha – hallo,« sagte Tobias dabei, indem er sich gewaltsam im Gleichgewicht zu halten suchte, »hoppa – beinahe wären wir gefallen – Boden ist hier verdammt uneben. – Ja – was ich gleich sagen wollte – Sehen Sie, Herr – Herr Baron oder Herr Berthold oder wie Sie sonst heißen – ja so – das wollte ich dir nur sagen – ich weiß die Geschichte; ich bin dahintergekommen, hinter den blauen Dunst. – Mir macht keiner ein X für ein U – aber ich kann auch's Maul halten – wie Bruder Mühler, der Schwiegervater, ganz richtig gesagt hat – ich kann, wenn ich eben will und – wenn's gut bezahlt wird. Verstehst du, Bruderherz?«
Georg brauchte nicht mehr zu wissen. Der alte Trunkenbold hatte ihm in wenigen Worten klar und deutlich gezeigt, daß Mühler ihm sein Geheimnis verraten und er jetzt in den Händen dieses liederlichen Menschen sei, der aus seiner Entdeckung den größten Nutzen zu ziehen suchte. Daß er sich aber mit einer solchen Kreatur nicht weiter einlassen konnte, mochten sich nun die Folgen stellen wie sie wollten, fühlte er in dem Augenblick mehr, als er zu einem klaren Bewußtsein desselben gekommen wäre. Ohne deshalb ein weiteres Wort an ihn zu richten, öffnete er das Fenster und rief im Hofe zwei gerade dort beschäftigte Knechte an: »He, Hans – Gottlieb! kommt einmal herauf – rasch!«
»Hans? – Gottlieb?« wiederholte Tobias etwas erstaunt. »Hans – Gottlieb? – Wozu brauchen wir Hans und Gottlieb – he? – Wie ist es, Herr Baron oder Herr Bruder oder Herr Berthold – hahaha, über die Namen alle wird man ordentlich konfus! – Ich kann das Maul halten, und will das Maul halten, aber« – und hiermachte er mit freundlichem Grinsen eine Gebärde des Geldzählens – »hier müssen wir zusammenkommen, wenn ich nicht...«
Georg hörte die Leute auf der Treppe, riß die Tür auf und sagte: »Den Burschen da werft mir einmal aus dem Hofe hinaus und das jedesmal, sooft er sich hier sollte betreten lassen. Schickt mir dann den Verwalter und den Vogt herauf.«
»Na komm, Tobias,« sagte der eine der Knechte, den Alten ohne weitere Umstände beim Kragen nehmend, »es hilft dir nichts, weder Strampeln noch Wehren. Der Herr Baron hat's einmal gesagt.«
»So?« schrie Tobias, aus allen seinen Himmeln geträumter Schätze etwas unsanft geweckt und über dieses keineswegs erwartete Resultat zugleich erstaunt, »so? ist das eine Behandlung – Herr Baron – wissen Sie – wenn ich will – so kann ich...« Alle seine weiteren Reden und Drohungen wurden durch die beiden handfesten Burschen unterbrochen, von denen der eine, als sie sahen, daß er nicht gutwillig gehen wollte, ihn unter den Armen packte. Der andere hob ihm zu gleicher Zeit die Beine aus, und Tobias wurde, trotz seinem Grimme, der sich jetzt gegen die Knechte kehrte, ohne weiteres die Treppe hinunter, durch den Hof und bis vor das Tor getragen, wo ihn die Leute ruhig absetzten und laufen ließen. Zwar sprudelte er hier noch eine Menge Dinge von Baronen und Lumpen, Kunstreitern und »Geheimnissen« heraus, die Knechte verstanden aber kein Wort davon, ließen ihn stehen und gingen an ihre Arbeit zurück.
Tobias wütete, als er aber Miene machte, noch einmal in den Hof zurückzukehren, drohten ihm die beiden Burschen mit den Fäusten, und das Herz voll Ingrimm, aber doch zu feige, sich einer weiteren Handgreiflichkeit auszusetzen, drehte er sich endlich um und taumelte, rücksichtlos um Weg und Steg, gerade über Wiese und Felder weg, ins Tal hinab.
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Zu derselben Zeit, in welcher Tobias jenen verunglückten Versuch machte, von Herrn von Geyfeln entweder eine Summe Geldes oder noch lieber eine fortlaufende Unterstützung zu erpressen, saß Josefine mit ihrer Erzieherin, fleißig mit Lesen und Arbeiten beschäftigt, in ihrem Stübchen.
Josefine war jetzt etwa acht Jahre alt und hier auf dem Gute, da sich die Mutter fast gar nicht oder doch nur sehr selten und oberflächlich um sie bekümmerte, einzig auf den Umgang mit der Erzieherin angewiesen. In dieser aber hatte Georg einen glücklichen Fundgetan, denn die junge Dame besaß nicht allein sehr wackere Kenntnisse, sondern auch ein gutes, für alles Schöne und Edle empfängliches Herz. Praktisch
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