Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)
Gestalt.
»Du meine Güte! Was haben wir denn da?«, rief er und stieg ab.
Henry de La Poer Beresford, der dritte Marquis von Waterford, beugte sich vor und strich mit den Fingern über das fremdartige Material des Anzugs. So etwas hatte er noch nie angefasst!
Er packte Edward Oxford an der Schulter und schüttelte ihn.
»He, alter Knabe, lebst du noch?«
Er erhielt keine Antwort.
Beresford legte die Hand auf die Brust des Mannes, neben die laternenähnliche Scheibe, und fühlte den Herzschlag.
»Ist wohl noch bei uns«, brummte er. »Aber was zum Teufel bist du, alter Kumpel? So was hab ich noch nie gesehen!«
Er schob einen Arm unter Oxfords Schultern und hievte ihn dann mit einiger Anstrengung in den Sattel des Pferdes, sodass der behelmte Kopf auf der einen Seite des Tieres und die Stiefel mit den Stelzen auf der anderen herabhingen. Beresford nahm die Zügel in die Hand und führte sein Reittier zurück Richtung Darkening Towers.
Fünf Tage später kam Oxford wieder zu sich.
Henry Beresford hatte vergeblich versucht, ihn aus dem Zeitreiseanzug zu befreien, aber er hatte keine Knöpfe gefunden. Er hatte es jedoch geschafft, dem komatösen Mann die Stiefel auszuziehen und den Helm vom Kopf zu nehmen. Dann hatte er seinen unerwarteten Gast auf ein Bett gelegt, ihm ein Kissen unter Kopf und Schultern geschoben und ihn zugedeckt.
Nicht länger durch die Realitätsfilter des Helmes geschützt, erreichte das erste Anzeichen der neuen Umgebung Oxford durch die Nase. Der Gestank nach kaltem Schweiß, der muffige Geruch ungewaschener Kleidung und der alles überlagernde Duft von Lavendel weckten ihn aus der Ohnmacht.
Er öffnete die Augen.
»Guten Tag«, sagte Beresford.
Oxford blinzelte und sah zu dem glatt rasierten, mondgesichtigen Mann auf, der neben ihm saß.
»Wer sind Sie?«, krächzte er. Seine Stimme klang, als spräche ein Fremder.
»Mein Name ist Henry de La Poer Beresford. Ich bin der Marquis von Waterford. Und wer – und, viel wichtiger noch, was sind Sie? Hier, nehmen Sie einen Schluck Wasser.«
Oxford ergriff das angebotene Glas und stillte seinen Durst.
»Vielen Dank. Meine Name ist Edward Oxford. Ich bin … ein Reisender.«
Beresford hob die Brauen.
»Ach ja? Zu welchem Zirkus gehören Sie?«
»Was?«
»Zirkus, mein Freund. Sie scheinen ein Stelzenartist zu sein.«
Oxford gab keine Antwort.
Beresford betrachtete seinen Gast einen Augenblick lang, dann sagte er: »Und doch gibt es derzeit kein Volksfest oder Ähnliches in der Gegend, was die Frage aufkommen lässt: Wie sind Sie in tiefster Ohnmacht innerhalb der Mauern meines Anwesens gelandet?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht könnten Sie mir sagen, wo genau ich überhaupt bin?«
»Sie befinden sich im Herrenhaus Darkening Towers bei Hertford, etwa zwanzig Meilen nördlich des Stadtzentrums von London. Ich habe Sie vor fünf Tagen bewusstlos auf meinem Anwesen gefunden.«
»Vor fünf Tagen!«
Oxford sah hinunter auf die Kontrolleinheit auf der Vorderseite seines Anzugs. Sie war abgeschaltet. Die Oberfläche wies eine tiefe Delle auf, und den linken Rand zierten Brandspuren.
Beresford sagte: »Bitte entschuldigen Sie die Taktlosigkeit meiner nächsten Worte, doch es ist so, ich war nicht in der Lage, Sie aus Ihrem Kostüm zu befreien und befürchte, Sie haben es während Ihrer Ohnmacht vielleicht beschmutzt.«
Oxford wurde rot und nickte.
Beresford legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Ich werde meinen Kammerdiener anweisen, Ihnen eine Schüssel heißes Wasser mit etwas Seife, Handtücher und frische Kleidung zu bringen, Sie scheinen ungefähr meine Größe zu haben, vielleicht ein bisschen größer. Und ich sage dem Koch, er soll Ihnen etwas zubereiten. Wäre das in Ihrem Sinne?«
»Vollkommen«, erwiderte Oxford, der plötzlich bemerkte, wie ausgehungert er war.
»Gut, dann will ich mich jetzt zurückziehen. Bitte schließen Sie sich mir doch im Esszimmer an, wenn Sie fertig sind.«
Er stand auf und ging zur Tür.
»Nebenbei bemerkt«, sagte er und hielt kurz inne. »Ihr Akzent ist mir nicht vertraut, woher stammen Sie?«
»Ich bin in Aldershot geboren und aufgewachsen.«
Der Marquis grunzte.
»Nein, das ist kein Hampshire Akzent.«
Er öffnete die Tür und wandte sich zum Gehen.
»Gibt es Neuigkeiten von der Königin?«, platzte Oxford heraus.
»Königin? Meinen Sie die junge Viktoria? Sie ist noch nicht ganz Königin, auch wenn Seine Majestät der König den Berichten nach im Sterben liegt.«
Oxford
Weitere Kostenlose Bücher