Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)
mein lieber Mr Oxford, Sie wirken recht erfrischt. Ich nehme an, die Kleider passen Ihnen?«
»Ja, vielen Dank«, erwiderte der Zeitreisende, auch wenn sie in Wahrheit etwas eng saßen.
Brock führte ihn an das gegenüberliegende Ende des Tisches und zog ihm den Stuhl zurück.
Oxford setzte sich.
Der Kammerdiener verbeugte sich vor Beresford und verließ den Raum. An seiner Stelle erschien ein Butler, der an den Tisch trat und den beiden Männern Rotwein einschenkte. Ein paar Dienstmädchen eilten hin und her und trugen Platten voller Fleisch und Gemüse herein. Beresford leerte sein Glas mit einem einzigen Zug, erhielt ein neues und sagte laut: »Und, was macht das Gedächtnis, mein Freund? Ist etwas zurückgekehrt?«
Oxford zögerte. Dann traf er eine Entscheidung.
»Mein werter Lord Marquis …«
»Henry, bitte.«
»Henry. Ich habe beschlossen, Ihnen alles zu erzählen, denn die Wahrheit ist, ich brauche dringend Hilfe. Aber würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir erst äßen? Ich bin halb verhungert.«
»Keineswegs, nicht im Geringsten! Nur eines vorab, um meine Neugier zu befriedigen, Sie kommen nicht aus einem Zirkus, nicht wahr?«
»Nein, das tue ich nicht.«
»Und hinter Ihrem Kostüm steckt mehr, als es den Anschein hat?«
»Ihnen entgeht nichts, Henry.«
»Essen Sie, Mr Oxford, wir reden später.«
Eine Stunde darauf nahm der Zeitreisende ein Glas Brandy entgegen, lehnte eine Zigarre ab und erzählte seinem Gastgeber beinahe alles. Die Ermordung der Königin ließ er aus und behauptete stattdessen, in die Vergangenheit gereist zu sein, um seinen Vorfahr kennenzulernen.
Sie hatten sich nach dem Essen in den Salon zurückgezogen und saßen mit vollen Bäuchen in großen Lehnstühlen vor dem knisternden Feuer.
Beresford war betrunken.
Er glaubte Oxford kein Wort.
Und er lachte.
»Gütiger Himmel!«, donnerte er. »Sie sind ein genauso guter Geschichtenerzähler wie dieser Dickens! Haben Sie ›Die Pickwickier‹ gelesen?«
»Natürlich! Aber das hier ist keine Geschichte, Henry.«
»Papperlapapp! Welche bessere Geschichte gäbe es, als einen Mann aus der Zukunft, der durch einen Anzug in die Vergangenheit geschleudert wird?«
»Und doch ist genau das geschehen.«
»Sie sind ein seltsamer Kerl, das gebe ich zu«, erklärte der Marquis belustigt. »Ihre Wortwahl ist für einen Engländer etwas zu direkt, Ihr Gebaren sogar noch legerer. Ich bin mir sicher, Sie sind ein Ausländer, mein Freund!«
»Ich sagte es Ihnen doch, ich bin in Aldershot geboren und aufgewachsen.«
»Im Jahre 2162, wie Sie sagen. Das ist wann? In gut dreihundert Jahren?«
»Ja.«
Beresford schenkte ihnen nach und zündete sich eine weitere Zigarre an.
»Sagen wir einfach, ich bin bereit, Ihr seltsames Spiel mitzuspielen, Edward«, sagte er. »Sie behaupten, Sie bräuchten meine Hilfe. Wie kann ich Sie unterstützen?«
»Sie könnten mir einen vollständigen Satz Uhrmacherwerkzeug besorgen.«
»Zu welchem Zweck?«
»Ich muss die Kontrolleinheit meines Anzugs reparieren. Ich hoffe, das Werkzeug eines Uhrmachers ist präzise genug für diese Aufgabe.«
»Kontrolleinheit?«
»Der runde Gegenstand auf meiner Brust.«
»Und ich soll nun glauben, dass Sie, wenn diese ›Kontrolleinheit‹ erst repariert ist, wieder in der Lage sind, durch die Zeit zu reisen?«
»Ja.«
»Puh! Eine solche Geschichte habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört! Und doch will ich mitspielen. Sie bleiben als Gast in meinem Hause, und ich besorge Ihnen Ihr Werkzeug!«
»Es gibt da etwas, das ich Ihnen erzählen könnte«, sagte Oxford, »das meiner Geschichte Glaubwürdigkeit verleihen würde.«
»Tatsächlich? Was ist es?«
»In fünf Tagen werden Sie eine Königin haben.«
Im Laufe der nächsten sieben Tage geriet Henry de La Poer Beresfords belustigter Unglaube allmählich ins Wanken.
Der Tod König Williams des Vierten auf Schloss Windsor war natürlich erwartet worden und daher keine große Überraschung. Die Tatsche, dass Oxford Viktorias Thronbesteigung für den 20. Juni vorausgesagt hatte, war nicht besonders verwunderlich, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Zufallstreffer.
Doch nachdem Oxford seinem Gastgeber einen Eid der Verschwiegenheit abgenommen hatte, enthüllte er einiges mehr über die Welt, aus der er gekommen war, vor allem über die verschiedenen Technologien und Energiequellen, die der Bevölkerung in Zukunft zur Verfügung stehen würden. Die menschliche Rasse, so schien es, sollte mit dem
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