Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)
MARQUIS VON WATERFORD
O xford tobte den ganzen Abend über, bis Beresford Brock rief und sie ihn, halb schiebend, halb tragend, die Treppen hinauf und in sein Schlafzimmer bugsierten. Sie zogen ihn aus – beide hatten gelernt, wie man den Zeitanzug öffnete – und legten ihn ins Bett. Schließlich fiel er in einen unruhigen Schlaf, wälzte sich aber die ganze Nacht rastlos herum, stöhnte und murmelte vor sich hin.
Als er am nächsten Morgen müde im Esszimmer erschien, wirkte er ausgebrannt und fiebrig, unter seinen Augen lagen dunkle Ringe.
»Essen Sie«, wies Beresford ihn an und deutete auf das Frühstück, das der Butler auf dem Tisch angerichtet hatte.
Oxford setzte sich und aß lustlos ein paar Happen, seine Augen waren glasig.
»Ich habe eine Frage«, sagte der Marquis.
Sein Gast grunzte.
»Wo ist Ihr Vorfahr jetzt, in diesem Moment, Juni 1837?«
»Er ist fünfzehn. Lebt mit seiner Mutter und Schwester in einer Wohnung am West Place, West Square, Lambeth.«
»Und wo werden Sie ihn töten?«
»Green Park.«
»Dann müssen Sie nach Lambeth fahren, ihn finden und davon überzeugen, dass er einem Mord zum Opfer fallen wird, wenn er 1840 den Green Park betritt.«
Oxford lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah den Marquis an.
»Ja«, murmelte er. »Ja. Wenn ich es schaffe, wenn ich die Außenwelt ertrage und mich zusammenreiße, könnte es funktionieren.«
»Wissen Sie, wo der West Place ist?«
»Ja, gleich neben dem Imperialen Kriegsmuseum.«
»Dem was?«
»Dem Imp- … nein, warten Sie, das wurde noch nicht gebaut. Es ist das … das Bethlehem Royal Hospital!«
»Das Bedlam, meinen Sie?«
»Der Ort, an dem mein Vorfahr vierundzwanzig Jahre seines Lebens verbringen wird, wenn ich verhindern kann, dass ich ihn töte.«
»Dann war er – ist er, meine ich – ein Wahnsinniger?«
»Genau jetzt, im Jahr 1837, zeigt er erste Symptome geistiger Verwirrung. Die Krankheit wird immer schlimmer und erreicht 1840 ihren Höhepunkt, als er das Attentat ausübt. Er wird gefasst, verurteilt und ins Bedlam eingewiesen. Während der nächsten paar Jahrzehnte erholt er sich wieder, auch wenn man ihn noch immer festhält. Schließlich verlegt man ihn nach Broadmoor, dann kommt er frei und wird nach Australien deportiert, wo er ein Mädchen kennenlernt und heiratet. Sie bekommen ein Kind, meinen ich-weiß-nicht-wie-oft-Ur-Großvater.«
Beresford beugte sich vor und stützte das Kinn auf die Hand, während er über seinen seltsamen Hausgast nachdachte.
»Aber jetzt«, murmelte er, »wird nichts davon geschehen?«
»Ich bin durch die Zeit zurückgereist, um das Verbrechen zu verhindern«, antwortete Oxford. »Stattdessen habe ich ihn umgebracht.«
»Also kein Happy End in Australien.«
»Ein Happy End hat es für ihn ohnehin nicht gegeben, Henry. Sehen Sie sich das hier an.«
Oxford zog ein Portemonnaie aus der Tasche und entnahm ihm ein gefaltetes Blatt Papier. Er schob es zu Beresford hinüber. Der Marquis entfaltete es und erkannte, dass es ein Brief war, auch wenn er mit einer Art Tinte geschrieben war, die er noch nie gesehen hatte. Er las.
Brisbane, 12. November 1888
Meine Liebste,
für mich gab es immer nur dich, und dass ich schlecht an dir handelte, schmerzt mich mehr als die verräterische Tat, die ich im Jahre 1840 beging. Keinen anderen Wunsch hatte ich, als dir und dem Kleinen ein schönes Zuhause zu bieten, und dass ich versagt habe und statt des guten Ehemanns, der ich sein wollte, zum Trunkenbold und Dieb wurde, das werde ich bis ans Ende meiner Tage bereuen, eine Zeit, die – ich fühle es – nicht mehr fern ist, denn ich bin krank an Körper und Seele.
Ich verurteile dich nicht für das, was du jetzt tust. Du bist jung und kannst dir mit unserem Kind daheim in England bei deinen Eltern ein neues Leben aufbauen. Ich hätte nur noch mehr Elend über dich gebracht, wärst du geblieben, denn mich reitet der Teufel, seit er mich heimgesucht hat, als ich noch ein kleiner Junge war. Ich flehe dich an, mir zu glauben, dass es sein böser Einfluss ist, der unsere Familie ins Unglück stürzte, und dir mein wahres Ich nie etwas anderes wünschte, als Glück und Zufriedenheit.
Vielleicht erinnerst du dich, liebste Frau, wie ich sagte, das Mal auf deiner Brust sei ein Zeichen der Vergebung Gottes für meinen Verrat und dass er mir dich als Preis für meine Arbeit im Hospital sandte, die ich leistete, um wieder zu Verstand und Sinnen zu kommen?
Jetzt bete ich, er möge
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