Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)
schwindenden Katholizismus fest, während Burton Gerüchten zufolge Muslim war – auch wenn er in Wirklichkeit gar keiner Religion anhing. Und dann waren da natürlich noch sein Ruf, die düsteren Geschichten, die über ihn kursierten, und die allgemeine Übereinkunft, er gehöre »nicht dazu«.
Henry Arundell teilte die Vorurteile seiner Frau nicht. Er liebte jedoch seine Tochter und wollte nur das Beste für sie. Dass Burton dies sein sollte, davon war er nie überzeugt gewesen.
Sie setzten sich.
»Sie ist verschwunden«, sagte Arundell ohne Einleitung.
»Was?«, rief Burton.
»Isabel hat ihre Sachen gepackt und vor einigen Tagen das Haus der Familie verlassen, das war am 21. Wir nahmen an, Sie beide hätten sich über irgendeine Angelegenheit zerstritten und sie nehme sich eine kurze Auszeit, um die Sache zu überdenken. Gestern haben wir das hier erhalten.«
Er reichte Burton einen Brief.
Triest, 25. September 1861
Liebste Mama, liebster Papa,
Richard hat unsere Verlobung aufgelöst, und ich weiß, dass mein Leben, so wie ich es kannte – und wie ich es mir ausgemalt hatte – zu Ende ist. Ich war von dem Augenblick an, als ich ihn vor zehn Jahren in Boulogne das erste Mal sah, sicher, er sei meine Bestimmung. Ich hatte vor, mit ihm gemeinsam in den Osten zu reisen und mich dort niederzulassen. Ich kann nicht fassen, dass er es sein soll, der mir diese Bestimmung nun verwehrt.
Wie kann es sein, dass eine Zukunft, die mir in Stein gemeißelt schien, einfach so von einer neuen ersetzt werden kann? Ist das Leben von so unbeständiger Natur, dass wir von Launen aus der Bahn geworfen werden, die nicht einmal die unseren sind?
Ich ertrage es nicht.
Mama, Papa, ich nehme mein Leben nun selbst in die Hand. Ich werde Verantwortung für meine Fehler übernehmen und den Lohn für meine Mühen selbst einstreichen! Auch wenn sich die Welt um mich herum verändert, werde ich es sein, die beschließt, wie ich ihren Herausforderungen und Enttäuschungen begegnen will, und kein anderer.
Die Welt! Jetzt begreife ich, dass wir in zwei Welten leben. Da ist die eine, in der wir leben und von der wir nie mehr als einen Bruchteil sehen, und da ist die andere, die aus den unmittelbaren Einflüssen besteht, die uns formen. Die erste gibt uns Raum, die zweite rahmt uns ein. Richard stammte aus jener zweiten Welt,von ihm erhielt ich ein Gefühl meiner eigenen Existenz, ihrer Art und ihrer Grenzen. Nun ist er fort, und nichts mehr hält mich.
Was soll ich tun? Wende ich mich von diesem Abgrund ab und verstecke mich vor der drohenden Außenwelt? Oder schwebe ich über ihn hinaus, um neue Möglichkeiten zu entdecken und mich vielleicht neu zu erschaffen?
Ihr kennt eure Tochter, liebe Eltern! Ich werde nicht zurückweichen!
Richard machte meine lang gehegte Vorstellung der Zukunft zur Unmöglichkeit. Soll ich deswegen alles aufgeben? NEIN, sage ich! NEIN!
Ich bin in Triest, auf dem Weg nach Damaskus. Ich weiß nicht, was mich dort erwartet. Es spielt auch keine Rolle. Was immer es auch ist, ich erschaffe wenigstens eine Isabel Burton, die sich über ihre eigenen Entscheidungen definiert.
Ich weiß nicht, wann ich zurückkehren werde.
Ich schreibe euch.
Mehr als alles andere trage ich euch in meinem Herzen.
In tiefster Liebe,
Eure Isabel
»Grundgütiger, das Mädchen hat ihren eigenen Kopf!«, rief Burton und gab Henry Arundell den Brief zurück.
»Schon immer«, stimmte der ältere Mann ihm zu. »Wie ihre Großmutter. Aber bei Gott! Warum haben Sie es getan? Sie verlassen, meine ich. Ich dachte, Sie lieben sie!«
»Das tue ich, Sir. Denken Sie nichts Falsches, das tue ich. Lord Palmerston hat mich vor eine Entscheidung gestellt: Ich konnte entweder ein erbärmliches Konsulat auf einer pestverseuchten Insel annehmen oder dem Land auf eine Art und Weise dienen, die mir, trotz aller Gefahr, weit mehr entspricht. In jedem Falle wäre Isabel, hätte ich sie geheiratet, in eine äußerst bedrohlicheSituation geraten. Ich habe unsere Verlobung gelöst, um sie zu schützen.«
Arundell schnaubte und sagte: »Und stattdessen ist sie alleine nach Arabien aufgebrochen, wo sie sicher keiner geringeren Gefahr ausgesetzt ist!«
»Nein, Sir. Lassen Sie sich vom öffentlichen Bild nicht täuschen. Die Araber sind ein ehrenvolles Volk, und sie wird dort nicht mehr in Gefahr sein, als wäre sie, sagen wir, in Brighton. London ist hundertmal gefährlicher als Damaskus.«
»Sind Sie sicher?«
»Ich verspreche es Ihnen. Es
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