Der kurze Sommer der Anarchie
Marxisten (POUM und PSUC) entgegenarbeiten. Die Marxisten behaupteten nämlich, die landwirtschaftlichen Kollektive seien gesetzwidrig. Zum Präsidenten dieser künftigen revolutionären Provinzregierung wurde Joaquin Ascaso gewählt.
Die aragonesischen Anarchisten begannen sofort mit den Sozialisten und den wenigen Republikanern der Region zu verhandeln. Die ersteren verhielten sich abweisend, ja sogar feindselig, während die letzteren im Prinzip zustimmten, aber vorerst lieber abwarten wollten. Die CNT beschloß, den Rat dennoch zu gründen; er trat am 15. Oktober 1936 in Fraga zum erstenmal zusammen.
Die Anarchisten von Aragon versuchten also, was ihre katalanischen Genossen stets vermieden hatten: die Übernahme der ungeteilten und ganzen Macht. Sie versuchten es ungeachtet der Verheerungen durch den Krieg, der bewaffneten Präsenz der POUM, der PSUC und der katalanischen Nationalisten mit ihren Truppenkontingenten, ungeachtet der Auswirkungen‘auf das Ausland, der Madrider Zentralregierung zum Trotz, ja sogar gegen den Willen der CNT selber, deren Nationales Komitee weder gefragt noch unterrichtet, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt worden war.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß der Rat von Aragon zur Zielscheibe allgemeiner Mißbilligung wurde: Republikaner, Sozialisten und Kommunisten verurteilten ihn als Instrument einer getarnten anarchistischen Diktatur und klagten ihn separatistischer Neigungen an. Auch die Führung der CNT stimmte in den Chor der Angreifer ein.
Später, im Dezember 1936, wurde der Rat nach langwierigen Verhandlungen von den Regierungen in Barcelona und Madrid anerkannt, mußte aber Vertreter anderer Parteien aufnehmen, seine Vollmachten beschränken und sich der Autorität des zentralisierten Staates beugen.
Cesar Lorenzo
Proklamation des Regionalen Verteidigungsrates von Aragon
Immer häufiger hören wir Klagen aus den Dörfern über verschiedene Kolonnen oder Einheiten. Der Rat von Aragon verurteilt die unverantwortlichen Handlungen gewisser Gruppen. Er möchte verhindern, daß der aragonesische Bauer anfängt, seine antifaschistischen Brüder, denen er immer nach Kräften geholfen hat, zu hassen. Wir können nicht dulden, daß die Rechte unseres Volkes weiter mit Füßen getreten werden. Manche Anführer von Kolonnen einer ganz bestimmten politischen Fraktion treten in unserer Gegend wie Vertreter einer Besatzungsmacht auf, die sich auf feindlichem Boden befindet. Sie versuchen, unserem Volk politische und soziale Normen aufzuzwingen, die ihm fremd sind.
Vom Volk gewählte Komitees werden einfach abgesetzt; Männer, die für die Revolution ihr Leben einsetzen, werden entwaffnet; man droht ihnen mit körperlichen Strafen, mit dem Gefängnis, mit der Erschießung; neue Komitees werden eingesetzt, je nach dem politischen Credo derer, die sie mit Waffengewalt stützen. Ohne Überlegung und Kontrolle, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Einwohner werden Lebensmittel, Schlachtvieh und Waren aller Art beschlagnahmt. Wir müssen säen und haben kein Korn, keinen Dünger und keine Maschinen mehr. Auf diese Weise werden unsere Dörfer systematisch ruiniert. Wir fordern daher die Kommandanten aller Kolonnen auf,
1. alle dringend benötigten Waren, Vieh und Geräte direkt beim Verteidigungsrat anzufordern, der sie nach Möglichkeit beschaffen wird, und alle Requisitionen auf eigene Faust energisch zu verbieten, es sei denn, die militärische Lage gestatte keinerlei Aufschub;
2. jede Einmischung der antifaschistischen Kolonnen in das politische und gesellschaftliche Eigenleben eines Volkes, das von Natur aus frei ist und seinen eigenen Charakter hat, zu verhindern.
Die Bewohner der Dörfer und ihre Komitees weisen wir an,
1. ohne ausdrückliche Genehmigung des Rates die vorhandenen Waffen an niemanden auszuliefern und die Absetzung der existierenden Komitees keinesfalls zuzulassen, bis der Rat über ihre Neubildung beschlossen hat,
2. keinerlei Requisitionen hinzunehmen, die nicht vom Rat von Aragon gegengezeichnet sind, mit Ausnahme besonders dringlicher Fälle, für die der Kommandant der Kolonne die Verantwortung zu übernehmen hat,
3. jeden Verstoß gegen diese Anordnungen sofort dem Rat mitzuteilen und dabei die Namen der Verantwortlichen anzugeben.
Wir hoffen, daß alle ohne Ausnahme diesen Weisungen und Forderungen nachkommen. Nur so kann verhindert werden, daß es zu einem traurigen Paradox kommt: daß ein freies Volk seine Freiheit und seine Befreier zu
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