Der Kuss der Göttin (German Edition)
Pause. In ihrer Stimme liegt eine Melancholie, die ich nicht mit dem Inhalt des Gesprächs in Einklang bringen kann. »Wir können sie nicht ewig verstecken. Ich mache mir jetzt schon Sorgen. Meine Quellen überbringen mir widersprüchliche Nachrichten. Das bedeutet normalerweise, dass sie etwas gefunden haben und versuchen, es zu verbergen. Wir alle wissen, was passiert, wenn sie zu kreisen anfangen«, fügt sie hinzu, und obwohl ich nicht weiß, warum, überläuft mich ein angstvoller Schauder. »Wir können sie wahrscheinlich zumindest noch eine Woche am Leben erhalten, aber danach … dann ist alles möglich.«
Mich am Leben erhalten? Ich kann nicht atmen. Es ist, als ob ich einen harten Schlag nach dem anderen einstecken muss. Die Dunkelheit scharrt an den Rändern meines Blickfeldes, und gleichzeitig habe ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen und ohnmächtig zu werden.
Reese geht zurück in die Küche, während ich versuche, mich noch enger zusammenzurollen – und mich noch tiefer in die Schatten zu drücken.
»Bete einfach, dass an dieser Phoenix-Verbindung etwas dran ist. Wenn nicht, habe ich null Spuren, dann müssen wir allein weitermachen. Und das bedeutet vermutlich weglaufen.« Sie seufzt. »Ich hasse weglaufen. Ja, ich weiß; ein Schritt nach dem anderen. Ich bin bald da.«
Ich höre das Piepsen, als sie das Gespräch beendet, dann die vertrauten Geräusche von Reese, die sich einen Mantel überzieht, ihren klimpernden Schlüsselbund nimmt und dann das Brummen des Garagentors.
Ich löse mich von der Wand und kauere mich neben das Fenster, wo ich die Jalousien gerade so weit auseinanderdrücke, dass ich Reese’ Auto die Straße entlanggleiten sehe.
Als sie außer Sicht ist, zähle ich langsam bis zehn, dann fliehe ich aus dem Haus, renne beinahe den Gehweg entlang, bis ich langsamer werden muss und mir die schmerzende Seite halte. Mein Atem geht keuchend und abgehackt und jeder Gedanke an Hunger ist aus meinem Kopf verschwunden.
Ich sehe mich um, weiß einen Augenblick lang nicht, wo ich bin. Mein Verstand versucht, das Gespräch zu ordnen, das ich gerade belauscht habe, aber nichts ergibt Sinn; alles ist falsch. So falsch. Ich weiß nicht, was ich glauben soll, und am liebsten würde ich mich auf den Boden sinken lassen und weinen.
Die Worte, die ich gehört habe, hallen unaufhörlich in meinem Kopf wider, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger Sinn ergeben sie. Warum sollte Quinn etwas mit meiner Vergangenheit zu tun haben? Ich würde mich erinnern, wenn ich ihn schon einmal getroffen hätte.
Das würde ich doch, oder?
Meine Erinnerungen waren direkt nach der Operation ziemlich lückenhaft, aber seit Monaten sind sie jetzt recht vollständig. Ihn würde ich doch sicher nicht vergessen. Nicht bei der Wirkung, die er auf mich hat.
Es sei denn, das wäre der Grund, warum er diese Wirkung auf mich hat.
Doch warum sollten die Dreiecke etwas ändern? Das sind nur komische, glühende Dinger. Ich würde am liebsten laut stöhnen. Warum musste ich Elizabeth von ihnen erzählen? Wie dämlich!
Ich gehe ohne Orientierungssinn und sehe kaum die anderen Leute auf dem Gehweg. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Das Gefühl des Verrats bohrt sich wie ein eisiger Stachel in meine Brust; ich bin einsamer als je zuvor und habe keine Ahnung, wem ich vertrauen kann.
Bisher war es immer Elizabeth.
Jetzt ist niemand mehr da.
Nur ich selbst.
Und Benson.
Ich habe das Handy in der Hand, bevor ich es mir anders überlegen kann, ein eintöniges Klingeln trillert mir im Ohr. »Geh ran, bitte geh ran!«, flüstere ich, als es dreimal klingelt, dann viermal.
»Tave?«
»Benson.« Ich schaue mich in beide Richtungen um, bevor ich flüstere: »Kannst du mich abholen kommen? Ich bin in Schwierigkeiten.«
K apitel 11
B enson parkt vor dem Haus außerhalb des Campus, in dem er wohnt, und bis er ums Auto herum zu meiner Tür gekommen ist, bin ich schon ausgestiegen und trete ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Ich will ins Haus. »Alles klar?«, fragt er mich, und seine Hände streichen sanft an meinen Armen auf und ab. Es ist das Erste, was er sagt, seit er mich abgeholt hat.
Es war ein bisschen peinlich – hätte ich ihn mit einem Kuss begrüßen sollen? Tun wir so, als wäre gestern Abend nie passiert? Ich habe keine Ahnung.
Also habe ich nichts gesagt.
Nichts getan.
»Ja. Nein«, murmle ich. Wie war die Frage noch? »Können wir hineingehen?«
Benson öffnet die Tür und bittet
Weitere Kostenlose Bücher