Der Kuss der Göttin (German Edition)
Minute.
»Warum wollen alle wissen, wie er aussieht?«, frage ich und verdrehe die Augen.
»Wem hast du es noch erzählt?«
»Elizabeth hat es mir aus der Nase gezogen.«
»Du hast es deiner Therapeutin erzählt?«
»Es ist ihr Job«, murmle ich, obwohl ich es immer noch ziemlich bereue, es ihr erzählt zu haben.
»Und?«
»Was und?«
»Wie sieht er aus?«
Ich sehe ihn mit geneigtem Kopf an; ich frage mich immer noch, warum es ihn interessiert, aber ich rattere das Wesentliche herunter. »Keine Hörner, keine Reißzähne, keine Flügel«, ergänze ich, als ich fertig bin.
»Was hat Elizabeth über ihn gesagt?«
»Eigentlich hat sie mich sogar irgendwie ermutigt«, sage ich und fühle mich sofort schuldig.
Er zieht sarkastisch eine Augenbraue hoch. »Was um alles in der Welt soll man machen, wenn der eigene Seelenklempner verrückter ist als man selbst?«
»Man versucht wohl, sich nicht von ihm umbringen zu lassen«, sage ich hohl. Wir haben endlich den Grund erreicht, warum ich ihn angerufen habe.
Benson springt auf und starrt auf mich herab. »Was meinst du damit, Tave?«
»Nach meiner Sitzung mit Elizabeth bin ich nach Hause gegangen. Und ich denke, Reese hat mich nicht hereinkommen gehört, denn sie hat mit Elizabeth telefoniert – und sie hat sie Liz genannt, nicht Dr. Stanley –, dann haben sie über alle möglichen verrückten Sachen gesprochen.« Während ich das Gespräch wiedergebe, so gut ich mich erinnere, lässt sich Benson vor mir auf den Boden fallen und reibt meine eiskalten Hände warm. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf das Gefühl meiner Hände in seinen und versuche, mich an jede mysteriöse Aussage, jede Drohung zu erinnern, an die Tatsache, dass sie davon ausgehen, ich werde in einer Woche tot sein. Die Worte werden schwerwiegender, als würden sie durch das laute Aussprechen realer.
»Tave?«, fragt Benson, als ich fertig bin.
Er zögert, und ich finde es lustig, dass er sich Sorgen macht, er könne irgendetwas sagen, das mich ärgert. Ich habe das Gefühl, darüber bin ich meilenweit hinaus.
»Glaubst du, dieser Quinn ist derjenige, der dich sucht?«
Ich habe mich geirrt.
Meine Finger schließen sich wie Schraubstöcke um seine, und ich schlage so schnell die Zähne zusammen, dass ich mir aus Versehen auf die Wange beiße. Der Schmerz lässt mich zusammenzucken und ich berühre die stechende Stelle in meinem Mund mit der Zungenspitze. »Nein«, sage ich ohne weitere Erklärung.
»Tave, du musst es zumindest in Betracht ziehen.«
Mein Kopf bewegt sich schon von allein. »Nein. Er würde mir nie wehtun wollen.«
»Das weißt du nicht«, sagt Benson und beugt sich vor. »Alle möglichen Leute können dir wehtun wollen. Leute, von denen du nie – du kannst es nicht wissen.«
»Es könnte jeder andere sein, Benson. Wie diese Frau, als ich mir die Stirn angeschlagen habe, oder …« Meine Stimme wird höher, sobald ich daran denke. »Da ist dieser Mann mit der Sonnenbrille. Ich habe ihn schon zweimal gesehen und …«
»Und Quinn hast du schon dreimal gesehen. Zweimal vor deinem Haus «, unterbricht mich Benson.
»Er würde nicht …« Ich verstumme und lasse den Kopf in die Hände sinken. » Wie kann ich es dir erklären? Ich kann es nicht einmal mir selbst erklären.« Ich lasse mich gegen die Armlehne des Sessels sinken. »Ich bin einfach so müde.«
»Bleib hier«, sagt Benson. »Ich bin gleich wieder da.«
Was?
Ich lehne mich auf dem überraschend weichen Sessel zurück, als Benson zur Tür hinausschlüpft und sie ein paar Zentimeter offen stehen lässt. Langsam bekomme ich Kopfschmerzen, und mir fällt wieder ein, dass der wahre Grund, warum ich überhaupt nach Hause gegangen bin, war, dass ich das Mittagessen ausgelassen hatte … und das Frühstück – ich muss wirklich besser auf mich achten. Frau kann nicht von Koffein allein leben.
In einem Augenblick der Klarheit überlege ich, wie schlimm es schon sein mag. Meine Seelenklempnerin erzählt also Dinge weiter, die ich ihr anvertraut habe …
Meinem Vormund, die mich im Grunde ohne Vorwarnung aufgenommen hat und in den letzten acht Monaten in allem für mich gesorgt hat. Und die versucht, mich vor jemandem zu verstecken. Und die sich darauf vorbereitet davonzulaufen. Mit mir? Ohne mich? Nachdem sie mich losgeworden ist? Ich weiß es nicht.
Egal, wie ich es drehe und wende, es läuft alles immer wieder darauf hinaus.
Könnte Elizabeth versucht haben, mich vor Quinn zu verstecken? Das ergibt
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