Der Kuss der Göttin (German Edition)
könne ihn ins Leben zurückbringen.
Und da ist diese Vertrautheit. Ich kann sie nicht abschütteln.
Hoffentlich erfahre ich die Ursache dafür, wenn wir ihn in Camden erst einmal ausfindig gemacht haben. Vielleicht kenne ich ihn ja doch. Vielleicht habe ich ihn immer gekannt.
So oder so – er wird die Antworten haben. Das muss ich glauben.
Jay hat viermal versucht, mich anzurufen. Na ja, viermal, bevor ich mein Handy ausgeschaltet habe. Ich überlege, ob ich es loswerden muss. Ich hasse das Gefühl, keine guten Wahlmöglichkeiten zu haben. Und ich finde es furchtbar, dass ich Jay nicht vertrauen kann. Ich habe mich wohl wirklich an diese letzte Hoffnung geklammert, dass nur Reese und Elizabeth in die Sache verwickelt sind – und dass Jay so ahnungslos ist wie ich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen Benson und ich ungefähr zu der Zeit in Camden an, wo alle Läden schließen und die Leute nach Hause gehen.
Die Gebäude sind alle alt und ziemlich niedrig, höchstens zwei Stockwerke hoch, und weit und breit ist keine Ladenkette in Sicht. Aber es gibt auch genauso wenig hell erleuchtete Schaufenster, wie ich sie aus Portsmouth gewohnt bin. Alles hat etwas Sauberes, aber Gedämpftes, Ziegelrotes an sich. Es ist, als sei die ganze Stadt aus den 1950er-Jahren hierher versetzt worden. Bäume beschatten saubere Gehwege, und überall um mich herum fegen Ladenbesitzer vor ihren Geschäften oder holen ihre Werbeaufsteller herein, damit sie abschließen können. Die geschlossenen Geschäfte sind nicht vergittert, was den Eindruck erweckt, als passiere hier niemals etwas Böses.
Vielleicht ist das auch so. Vielleicht hat mich Quinn deshalb hierhergeschickt.
Malerisch , beschließe ich. Und klassisch . Wäre ich aus einem anderen Grund hier, ich würde wahrscheinlich anfangen, die Stadt nach interessanten Gebäuden und Sehenswürdigkeiten abzugrasen, wie ich es in Portsmouth getan habe. Aber falls es hier etwas Besonderes geben sollte, haben wir es noch nicht entdeckt. Quinn schien zu glauben, ich wisse genau, wovon er sprach, als er mir sagte, ich solle hierherkommen.
War ich schon einmal hier?
Es fühlt sich nicht vertraut an. Ich betrachte die Geschäfte um mich herum, suche nach Symbolen, aber ich sehe nichts dergleichen – obwohl ich das vielleicht noch einmal überprüfen muss, wenn die Sonne scheint, so dunkel, wie es inzwischen ist.
»Wir müssen schon wieder tanken«, sage ich mit einem Blick auf die Tankanzeige.
»Das übernehme ich diesmal«, sagt Benson, als wir an ei ner altmodischen Tankstelle halten. Er steigt aus und geht ums Auto herum zur Zapfsäule.
»Was machen wir, wenn wir kein Geld mehr für Benzin haben?«, frage ich, während wir beide zuschauen, wie die Zahlen durchlaufen.
»Ich habe eine Kreditkarte«, sagt Benson gelassen, aber ich merke, dass er sich auch Sorgen macht.
»Können sie die Dinger nicht lokalisieren?«, seufze ich und lehne mich an die Fahrertür.
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit, Tave …«, beginnt Benson zögerlich, und ich weiß, was er sagen wird. Ich meide dieses Thema, seit mir bewusst wurde, wie wenig Bargeld ich bei Reese und Jay gefunden hatte.
»Wenn wir wirklich in einer verzweifelten Lage sind, könntest du dann nicht einfach … du weißt schon?«
»Es verschwindet nach fünf Minuten, Benson. Das ist trotzdem Diebstahl.«
»Ich sagte verzweifelt . Ich rede nicht von jetzt.«
Ich blicke auf meine Schuhe hinab, während Benson den Tankstutzen zurückhängt, als der Tank voll ist. Voll mit dem Benzin, das er aus seiner eigenen – wahrscheinlich mageren – Studentenkasse gezahlt hat. Für mich.
»Es ist eigentlich nicht einmal das Stehlen«, platze ich heraus. Angesichts des Besitzstatus des Gefährtes, an dem wir beide lehnen, halte ich die Verdeutlichung für nötig. »Alles begann, als ich angefangen habe, meine … Kräfte zu benutzen – wie auch immer du sie nennen willst. Sogar bevor ich wusste, was ich tat. Wie mit dem Labello. Seitdem ist alles den Bach runtergegangen. Nicht du natürlich, aber so ungefähr alles andere. Ich glaube einfach nicht, dass es eine gute Idee ist, mein Talent « – ich flüstere das Wort – »zu nutzen, es sei denn, wir haben keine andere Wahl. Es ist unberechenbar und gefährlich .«
»Es ist deine Entscheidung«, sagt Benson und legt den Arm leicht um meine Schultern. »Ich werde dich nicht drängen.« Er schaut sich auf dem Parkplatz der Tankstelle um, dann beugt er sich zu mir vor. »Lass uns aber hier
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