Der Kuss der Göttin (German Edition)
gibt es in der Datenbank einen Verweis auf Rebecca Fielding und sieben auf Quinn Avery.
» Captain Quinn Avery«, sagt Benson. »Sieht aus, als hätte er irgendein Schiff besessen.« Er schreibt sich ein paar Aktenzeichen heraus, dann fängt er an, mit geübter Effizienz winzige Filme aus Aktenschränken zu ziehen. »Hier«, sagt er und reicht mir den ersten. »Du fängst an, während ich die anderen heraussuche.«
Bibliotheks-Nerds sind die besten.
»Hier ist eine ganze Geschichte über ihn«, sage ich, während ich den Artikel überfliege. »Du hattest recht – er war der Kapitän eines Frachtschiffs.« Ich lese weiter, während Benson Schubladen öffnet und schließt. »Komisch«, murmle ich, dann füge ich lauter, damit Benson mich hören kann, hinzu: »In diesem Artikel steht, dass er verschwunden ist, als er gerade richtig anfing, sich einen Namen in der Seefahrt zu machen.«
»Verschwunden?«, fragt Benson. Er stellt einen kleinen Stapel Filme neben mir auf den Tisch und zieht sich einen Stuhl heran.
Ich deute auf den Bildschirm, während ich weiterlese. »Ja. Er lebte am Rand von Camden – das erklärt total, warum Quinn, der Psycho, mich dort hinbestellt hat –, und eines Nachts gab es einen riesigen Aufruhr, Pistolenschüsse und massenhaft Lärm. Als Nachbarn zum Haus kamen, waren alle vier Wände total von Kugeln durchsiebt, im Inneren war alles zerstört und geplündert, aber es war niemand da.« Ich beuge mich vor und lese weiter. »Man hat nie Leichen gefunden, aber weder von ihm noch von der Tochter eines ortsansässigen Bankiers hat man je wieder etwas gehört.« Ich wende mich Benson zu. »Glaubst du, das war Rebecca?«
»Das kommt mir wahrscheinlich vor«, sagt Benson, den Blick auf den Bildschirm gerichtet.
»Das wäre ein riesiger Skandal gewesen, oder?«
»Mord und eine verbotene Liebesaffäre im frühen 19. Jahrhundert? Oh ja.«
»Kann das Zufall sein?«
»Was?«
»Dass der Original-Captain Avery Frauen verführte und sie vielleicht entweder ermordet hat oder für seine Taten selbst ermordet wurde?« Wieder flattert Furcht in meiner Brust.
»Zufall? Das bezweifle ich. Aber die Frage ist: Hat der Quinn von heute wegen seiner dunklen Vergangenheit seine Identität gewählt, oder hat er nur jemanden in der Geschichte gesucht, der zu seinen Lieblingsverbrechen passt?«
Verbrechen . Ein furchtbares Wort, um Quinn zu beschreiben.
Was ist bloß los mit mir? Auch nach gestern Nacht versuche ich immer noch, seine Taten zu rechtfertigen.
»Und warum ich?«, frage ich leise. »Ich kann nicht erkennen, was das alles mit mir zu tun haben soll.« Ich lese noch einen Abschnitt, dann wende ich mich ganz zu Benson um. »Glaubst du, er macht Leute ausfindig, die können, was ich kann? Glaubst du, es gibt noch mehr wie mich?«
»Das scheint möglich«, sagt Benson zögernd.
Ich frage mich, ob er welche gefunden hat. Ob sie noch leben.
Ich schlucke trocken und rolle den Text weiter nach unten. Plötzlich dreht sich die Welt um mich, und ich kann das laute Keuchen nicht unterdrücken, das mir entschlüpft.
Er ist es.
Es ist eine Zeichnung, kein Foto – wahrscheinlich nach seinem Verschwinden angefertigt. Aber er ist es eindeutig. Ich kann den Blick nicht von diesen Augen abwenden. Sanfte grüne Augen, die der Künstler gut eingefangen hat, sogar in Schwarz-Weiß. Ich strecke die Hand aus und berühre seine scharfen Wangenknochen, dann bin ich entsetzt, als ich den Atem anhalten muss, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Meine Gefühle sind ein tobender Orkan in mir.
»Das ist er, Benson!«
»Quinn? Du meinst, der Typ, den du heute Nacht gesehen hast?«
Ich kann nicht sprechen; ich nicke nur. Bevor ich Zeit habe, den Gedanken zu verarbeiten, drücke ich auf den Knopf zum Ausdrucken.
»Das ist echt abgefahren«, sagt Benson. »Bist du dir sicher?«
» Genau so sieht er aus«, sage ich mit unsicherer Stimme.
»Dieser Typ muss wirklich hardcore sein«, sagt Benson und beugt sich dicht über das Bild.
Die Zac Brown Band beginnt zu spielen, und ich brauche gute fünf Sekunden, bis mir klar wird, dass es der Klingelton meines Handys ist. Instinktiv gehe ich ran und halte es, ohne nachzudenken und den Blick immer noch auf den Mikrofiche-Bildschirm gerichtet, ans Ohr. » ’ lo?«
»Tavia, Gott sei Dank. Leg bitte nicht auf!«
Ich erstarre, als Reese’ Stimme an meinem Ohr ertönt und Eisschauer über meinen Rücken jagt.
»Ich bin gerade zurückgekommen und Jay hat mir alles erzählt. Bitte
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