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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Griffe der Ruder waren blank gerieben und im hinteren Teil des Bootes befand sich ein Korb aus Weidenzweigen. Der Fisch, der darin lag, war so frisch, dass die Augen noch nicht eingefallen waren und die Kiemen aussahen, als würden sie jeden Augenblick anfangen zu zucken.
    Johannes sah sich um. Da war keiner. Auch in die Weide über ihm hatte sich niemand geflüchtet. Dafür ertönte nun hinter ihm ein Knacken, ein Vogel rief keckernd und erhob sich in die Luft. Johannes atmete durch, um seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen, und watete, so leise er konnte, aus dem Wasser. Vorsichtig ging er näher an eine Gebüschwand heran, die etwa vierzig Schritte von ihm entfernt war. Zweige regten sich, aber er sah nichts. Wer auch immer im Unterholz saß, er war deutlich im Vorteil.
    »He, Russe!«, rief Johannes. Nichts rührte sich, nur die Zweige der Weide klapperten hinter ihm in der Strömung. Johannes wurde ärgerlich. »Ich kann warten. Du brauchst dein Boot und dafür musst du an mir vorbei. Ich will nur mit dir reden!«
    Er kam sich unglaublich lächerlich vor und hatte den Verdacht, dass er mit einem Hasen redete, der im Unterholz saß und erstaunt den vor sich hin plappernden Menschen betrachtete.
    »Komm da raus!«, rief er, diesmal lauter. Wassertropfen regneten auf ihn herab, als sei hinter ihm ein riesiger Fisch aus dem Wasser gesprungen. Johannes fuhr herum. Er kniff die Augen zusammen und spähte zu dem Boot. Eine Hand lag darauf, die sich rasch zurückzog, dann schwappte eine Welle ans Ufer.
    »Lass ihn«, sagte eine vertraute Stimme. Wie aus dem Boden gewachsen war der Fischerjunge neben Johannes aufgetaucht. »He, Deutscher«, sagte er zur Begrüßung. Seine Stimme hatte einen resignierten Klang, so als hätte er es soeben aufgegeben, Johannes von einem unglaublich dummen Fehler abhalten zu wollen. Wellen drückten das Boot gegen die Weidenzweige.
    »Heute kann ich mich nicht mit dir prügeln«, erklärte Johannes mit heiserer Stimme. Seine Gedanken flohen wie ein Fischschwarm vor einem ins Wasser geworfenen Stein, schwammen im Zickzack und fanden sich doch in derselben Richtung wieder zusammen. Jemand war im Wasser -das verwachsene Monstrum? Der Fischerjunge ging schweigend zu seinem Boot und begann die brackige Lache herauszuschöpfen.
    »Ich weiß von der Russalka«, sagte Johannes. Zufrieden bemerkte er, wie die Hand des Jungen einfror. Einige Augenblicke verharrten sie beide ohne ein Wort.
    Der Fischer richtete sich auf und verschränkte feindselig die Arme. »Ach ja?«, fragte er verächtlich. »Ein neues Märchen? Dann lass mal hören.«
    »Kein Märchen, wie du sehr genau weißt. Es ist ein Mensch mit verwachsenen Gliedmaßen oder vielleicht auch ein menschenähnliches Wesen, das in der Newa lebt, stimmt’s? Ich glaube, Derejew wäre mehr als dankbar diese Kreatur zu fangen. Du schützt sie, habe ich Recht? Und du weißt, dass Zar Peter sie töten lassen würde. Sie … war nur scheintot, als sie in der Werkstatt aufgebahrt war.« Er konnte sich ein siegesgewisses Grinsen nicht verkneifen, denn der Junge war aschfahl geworden. »Ich verrate dich nicht«, beeilte er sich zu sagen. »Und auch … das Monster nicht. Ich will nur wissen, was es damit auf sich hat. Das ist alles.«
    »Das Monster«, wiederholte der Junge leise. Er sah aus, als würde er das Wort zum ersten Mal in Zusammenhang mit dem Russalka-Wesen hören und sich wundern, dass solch ein Ausdruck dafür existierte.
    Johannes bohrte weiter. »Du warst es doch, der sie aus der Werkstatt befreit hat. Wie konntest du hineinkommen?«
    »Wasser findet jeden Weg«, erwiderte der Junge trocken.
    »Wie konnte Derejew denken, sie sei tot?«
    »Russalkas haben keinen Herzschlag«, sagte der Junge ruhig. »Es ist leicht, sie für tot zu halten. Und noch einfacher, ihnen Gesellschaft zu leisten.«
    »Ihnen? Das heißt, es gibt mehr von diesen Russalka-Monstren?«
    »Mehr, als dir lieb sein kann, aber lange nicht genug um alle, die ihnen schaden, zu ertränken.«
    »Heißt das, sie hassen uns?«
    »Dich«, berichtigte der Junge. »Dich und die anderen, die diese Stadt bauen.«
    Johannes brauchte einige Augenblicke, um diese Worte zu verdauen.
    »Ihr tötet sie«, fuhr der Junge fort. »Ihr spießt sie mit den Pfählen auf, scheucht sie aus ihrer Ruhe, ihr wühlt den Schlamm auf und werdet sie ersticken mit euren Häusern, euren Menschen, dem Geschützfeuer und den Schiffen.«
    Johannes staunte über die Leidenschaft, mit der der junge Russe

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