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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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plötzlich sprach. Betroffen hörte er zu.
    »Und der Schlimmste von allen ist der Zar. Wozu holt er Handwerker aus fremden Ländern hierher und verschleppt seine Bauern zur Fronarbeit in die Sümpfe, während ihre Kinder in den Dörfern verhungern? Warum will er hier in der Einsamkeit eine Stadt bauen?«
    »Vor Zar Peter waren die Schweden hier«, wandte Johannes lahm ein. »Es war nicht einsam.«
    Bitter lachte der Junge auf. »Weit ruhiger als jetzt, glaube mir. Die Russalkas konnten leben. Nun sind sie dazu verdammt, elend zugrunde zu gehen.«
    Oder mit aufgeschnittenem Bauch als Monstrositäten präsentiert zu werden, setzte Johannes in Gedanken hinzu. Er erschrak beinahe, als er merkte, dass er dabei war, sich die Sache dieses Fischers zu Eigen zu machen. Beinahe schämte er sich dafür, zuzugeben, dass er ebenfalls die Stadt im Sumpf nicht mochte. Dass er sich brennend zurücksehnte – nach Moskau vielleicht, in die Deutsche Vorstadt, oder manchmal sogar in sein Heimatdorf, wo das Leben, das ihm so mühsam erschienen war, immer noch so viel leichter gewesen war als hier. Dennoch: Hier lag seine Zukunft. Nur hier hatte er die Möglichkeit, eines Tages in die Werft zu kommen. Misstrauisch sah er den Jungen an. »Du warst schon hier, als die Schweden noch in ihrer Schanze saßen? Du bist doch nicht etwa einer der Läuflinge?«
    »Ein entflohener Leibeigener?« Der Junge lachte. »Wir gehören doch alle dem Zaren, oder nicht? Nein, noch bin ich frei.«
    »Wo lebst du?«
    Der Junge verschränkte wieder die Arme in einer ablehnenden Geste, aber immerhin blieb er stehen und sah Johannes mit einer Mischung aus Interesse und Verachtung an. Eine Weile schwiegen sie sich an, bis Johannes begriff, dass es an ihm lag, die Unterhaltung zu beenden. Der Junge war nur noch hier, weil Johannes mit seinem Wissen etwas gegen ihn in der Hand hatte – er ahnte, wie er auf den Fischer wirken musste: ein widerwärtiger Schnüffler, der seinem Geheimnis auf die Spur gekommen war. Nie zuvor war Johannes ein Bild, das andere sich von ihm machten, so abstoßend erschienen.
    »Hör mal«, sagte er missmutig. »Ich schweige – auch wenn du es mir vielleicht nicht glauben wirst. Du hast mein Ehrenwort. Ich will auch nicht, dass diese – Wesen gefangen oder getötet werden.«
    Der Junge schien immer noch unentschlossen. Er zog die Brauen zusammen, aber seine Haltung entspannte sich kaum merklich. »Schön«, sagte er schließlich. »Dann können wir ja wieder unserer Wege gehen.«
    Johannes zögerte. Der Gedanke gefiel ihm nicht. Natürlich konnte er sich umdrehen und gehen, sich um seine Schiffe kümmern und die Russalkas vergessen. Oder er konnte hier bleiben und diesem seltsamen Jungen die Hand geben. Einem russischen Fischer, der ihn hasste. Das war auch nicht verrückter als die Erkenntnis, dass es Monster gab, die wie Meerjungfrauen aussahen und nichts lieber getan hätten als ihn zu ertränken. Alles schien besser zu sein als die Einsamkeit, die ihn wieder überwältigen würde wie ein erstickendes Tuch.
    »Ich heiße Johannes«, sagte er. »Johannes Brehm. Ich … gehe bei meinem Onkel in die Lehre. Er ist Tischler und auch Zimmermann. Und ich würde viel lieber in Moskau sein als diese Stadt aus dem Sumpf zu stampfen, das kannst du mir glauben.«
    Der Junge sah ihn mit offenem Mund an. »Der Deutsche steigt von seinem hohen Ross, sieh an«, meinte er dann ironisch.
    Johannes unterdrückte einen Anflug von Wut und zwang sich zu lächeln. »Im Gegensatz zu dem Russen, der wohl beschlossen hat ewig dort oben sitzen zu bleiben.« Mit heimlicher Freude sah er, wie der Junge rot wurde. Er hat seinen Stolz, stellte er fest. Mehr Stolz, als für einen Fischer gut sein kann.
    »Jewgenij«, sagte der Junge endlich und reckte das Kinn in die Höhe. »Jewgenij Michailowitsch Skasarow.« Es klang nicht nach einer Lüge. Entschlossen streckte er die Hand aus, die Johannes ohne zu zögern ergriff. Sie fühlte sich knochig und sehr kräftig an.
    »Du solltest nach Hause gehen, Johannes Brehm«, sagte Jewgenij schroff und wandte sich seinem Boot zu. Flink versetzte er dem Rumpf einen Stoß und sprang hinein.
    »Warte!«, rief Johannes. »Bist du öfter hier?«
    Jewgenijs Augen loderten unter seinen schwarzen Haaren, die ihm in die Stirn fielen. Während das Boot vom Ufer wegtrieb, betrachtete er Johannes so prüfend, als würde er eine Münze begutachten, von der er nicht wusste, ob sie ihm Gewinn oder Verlust einbringen würde. Staunend

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