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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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ihr Gesicht nahe an seins. Ihr Parfum war fruchtig und sanft. »Sie bat mich zwar herein und gab mir Kaffee, aber kaum hatte ich eine Tasse getrunken, da wollte sie mich anscheinend wieder loswerden. Deswegen meinte ich, sie habe mir bloß zeigen wollen, wie hübsch das Haus aussah.«
    »Wann sind Sie fortgegangen?«
    »Warten Sie mal. Das wird kurz vor halb zwei gewesen sein. Aber im Haus war ich nur zehn Minuten. Den Rest der Zeit habe ich Mirakel gepflückt.«
    Die Versuchung, diesem vitalen, beweglichen und irgendwie verschmitzten Gesicht nahe zu bleiben, war groß, aber man mußte ihr widerstehen. Wexford drehte sich betont lässig in seinem Drehstuhl und wandte Nancy Lake ein ernstes, geschäftsmäßiges Profil zu. »Sie haben nicht gesehen, wie sie Bury Cottage verließ oder wie sie später zurückkam?«
    »Nein, ich fuhr nach Myringham. Ich war den ganzen Nachmittag und einen Teil des Abends in Myringham.«
    Zum erstenmal lag eine bewußte Reserviertheit in ihrer Antwort, aber er hakte nicht nach: »Erzählen Sie mir von Angela Hathall. Was für ein Mensch war sie?«
    »Brüsk, verschlossen, unfreundlich.« Sie zuckte ratlos die Schultern, als lägen derartige Mängel bei einer Frau außerhalb ihres Begriffsvermögens. »Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie und Robert so gut miteinander auskamen.«
    »Taten Sie das? Sie waren also ein glückliches Paar?«
    »O ja, sehr. Sie hatten nur Augen füreinander, wie man so schön sagt.« Nancy Lake lachte ein wenig. »Waren sich gegenseitig ein und alles, wissen Sie. Sie hatten auch keine Freunde, soviel ich weiß.«
    »Mir wurde sie als sehr schüchtern und nervös geschildert.«
    »Ach ja? Das würde ich nicht sagen. Ich hatte eher den Eindruck, sie hielt sich so ganz für sich, weil’s ihr halt gefiel. Allerdings ging es ihnen ja auch sehr schlecht, bevor er seinen neuen Job bekam. Sie hat mir mal erzählt, daß sie nach all seinen Abzügen nur noch 15 Pfund die Woche zum Leben hatten. Er zahlte seiner ersten Frau Alimente oder wie man das nennt.« Sie schwieg eine Weile und lächelte. »Wie Menschen sich ihr Leben verpfuschen, was?«
    Ein Anflug von Wehmut schwang in ihrer Stimme, als ob sie sich mit dem Verpfuschen auskenne. Er drehte sich wieder um, denn ihm war ein Gedanke gekommen. »Dürfte ich Ihre rechte Hand sehen, Mrs. Lake?«
    Sie gab sie ihm, ohne zu fragen, und sie legte sie nicht auf den Tisch, sondern in seine Hand, mit der Innenfläche nach unten. Es war fast eine Geste wie bei Liebenden, typisch für den Beginn einer Beziehung zwischen Mann und Frau, dieses Umschließen der Hände, eine erste Annäherung, Zeichen des Wohlbefindens und des Vertrauens. Wexford spürte ihre Wärme, bemerkte, wie glatt und gepflegt sie war, sah den sanften Schimmer der Nägel und den Diamantring am Mittelfinger. Verwirrt ließ er sie eine Spur zu lange in der seinen ruhen.
    »Wenn mir irgend jemand erzählt hätte«, sagte sie mit tanzenden Augen, »daß ich heute morgen mit einem Polizisten Händchen halten würde … ich hätte es nicht geglaubt.«
    Wexford sagte steif: »Verzeihen Sie bitte.« Und dann drehte er die Hand um. Keine L-förmige Narbe verunzierte die sanfte Kuppe ihres Zeigefingers, und er ließ die Hand fallen.
    »Stellen Sie auf diese Weise Fingerabdrücke fest? Mein Gott, ich dachte immer, das sei eine viel kompliziertere Angelegenheit.«
    »Ist es auch.« Weiter erklärte er nichts. »Hatte Angela Hathall eine Frau, die ihr beim Saubermachen half?«
    »Soweit ich weiß, nicht. Sie hätten sich das auch nicht leisten können.« Sie tat ihr Bestes, um ihre Belustigung über seine Befangenheit zu verbergen, aber er sah, wie ihre Lippen zuckten, und die Belustigung siegte. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Mr. Wexford? Möchten Sie nicht vielleicht Abdrücke meiner Füße nehmen zum Beispiel, oder womöglich eine Blutprobe?«
    »Nein danke, das wird nicht nötig sein. Möglich, daß ich mich noch mal mit Ihnen unterhalten möchte, Mrs. Lake.«
    »Das hoffe ich doch sehr.« Sie stand graziös auf und trat ein paar Schritte näher ans Fenster. Wexford, der aus Höflichkeit seinerseits aufstehen mußte, als sie es tat, fand sich plötzlich dicht neben ihr. Und genau das hatte sie beabsichtigt, wußte er. Aber er fühlte sich geschmeichelt. Wie viele Jahre war es her, daß eine Frau mit ihm geflirtet hatte, seine Gegenwart gesucht und die Berührung seiner Hand genossen hatte? Dora natürlich, seine Frau, die hatte es getan … Als er sich im

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