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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Gesicht wurde fast so rot wie sein Haar. »War ja klar, daß ich dem früher oder später auffallen mußte, bloß wegen meinem Scheißhaar. Sonst hätte der doch keinen Grund gehabt, sich einfach umzudrehen und mir mein Scheißauge blauzuhauen, oder?«
    »Das hat er gemacht?«
    »Sag ich Ihnen ja. Knallte mir glatt eine. Meine Alte sagt, ich sehe aus wie Henry Cooper. War ‘n Scheißspiel, das kann ich Ihnen sagen.«
    Angewidert seufzte Wexford: »Können Sie die Scheiße nicht mal vergessen?«
    »Sie meinen den Scheißbluterguß? Wo der noch nicht mal abgeheilt ist? Da, sehen Sie mal …«
    »O Mann! Ich meine, Sie sollen aufhören, bei jedem zweiten Wort ›Scheiße‹ zu sagen. Das verdirbt einem ja den Geschmack am Wein. Hören Sie mal zu, Ginge, es tut mir wirklich leid mit Ihrem Auge, aber es ist ja zum Glück nicht allzu schlimm. Auf jeden Fall müssen Sie jetzt natürlich vorsichtiger sein. Sie könnten zum Beispiel einen Hut tragen …«
    »Ich mach das nicht mehr weiter mit, Mr. Wexford.«
    »Immer mit der Ruhe. Ich besorg Ihnen erst mal noch einen … Wie nennen Sie das Zeug?«
    »Bestellen Sie einfach ein halbes Guiness mit ‘nem doppelten Pernod drin.« Stolz und schon wieder ein bißchen vergnügter setzte er hinzu: »Wie man das Zeug nennt, weiß ich nicht, aber ich nenn es ›Demon King‹.«
    Wexford holte sich noch ein Glas Weißwein, und Ginge meinte: »Na, davon werden Sie aber nicht fett.«
    »Das ist auch der Sinn der Übung. Jetzt erzählen Sie mir mal, wo der Achtundzwanziger überall hinfährt.«
    Ginge nahm einen Schluck seines Demon King und ratterte in äußerster Geschwindigkeit herunter: »Golders Green, Child’s Hill, Fortune Green, West End Lane, West Hampstead Station, Quex Road, Kilburn High Road…«
    »Um Himmels willen! Ich kenne doch keine von diesen Straßen, die Namen sagen mir überhaupt nichts. Wo ist die Endstation?«
    »Wandsworth Bridge.«
    Wexford war zwar enttäuscht von dieser Mitteilung, aber es befriedigte ihn doch, so viel unschlagbarer Ortskenntnis letzten Endes dennoch überlegen zu sein, denn er sagte: »Der Kerl fährt nur nach Balham, um seine Mutter zu besuchen. Das ist doch in der Nähe von Balham.«
    »Nicht, wo der Bus hinfährt, nee. Sehen Sie mal, Mr. Wexford«, erklärte Ginge mit geduldiger Herablassung. »Sie kennen doch London nicht, das haben Sie selbst gesagt. Ich wohne hier schon seit fünfzehn Jahren, und ich sage Ihnen, kein Mensch, der alle Tassen im Schrank hat, wird auf die Weise nach Balham fahren. Der geht vielmehr zur U-Bahn West Hampstead und steigt bei Waterloo oder Elephant in die Northern Line um. So und nicht anders.«
    »Dann muß er irgendwo unterwegs aussteigen. Ginge, würden Sie noch eine Sache für mich machen? Gibt es einen Pub in der Nähe dieser Bushaltestelle, wo er in den Achtundzwanziger einsteigt?«
    »Na ja, gegenüber«, erwiderte Ginge mißtrauisch.
    »Wir wollen ihm eine Woche Zeit lassen. Wenn er sich während der nächsten Woche nicht über Sie beschwert – ja, schon gut, Sie finden, wenn sich hier einer zu beschweren hat, dann Sie –, also wenn er das nicht tut, dann wissen wir, daß er Sie entweder für einen potentiellen Straßenräuber gehalten hat …«
    »Vielen Dank!«
    »… und Sie nicht mit mir in Verbindung bringt«, redete Wexford weiter, ohne sich um den Einwurf zu kümmern, »oder aber er hat in diesem Stadium zu viel Angst, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber von nächsten Montag an möchte ich, daß Sie sich eine Woche lang jeden Abend gegen halb sieben in dieser Kneipe aufhalten. Sie brauchen sich nur zu merken, wie oft er den Bus nimmt. Wollen Sie das tun? Ich verlange ja gar nicht, daß Sie ihm folgen, Sie gehen also gar kein Risiko ein.«
    »Das sagt ihr Bullen immer«, maulte Ginge. »Ich darf Sie wohl daran erinnern, daß der Scheißkerl schon eine arme Seele auf dem Gewissen hat. Wer wird sich um meine Alte und um meine Kinder kümmern, wenn er mir mit seiner beschissenen Goldkette die Luft abdreht?«
    »Diejenigen, die es jetzt auch schon tun«, meinte Wexford sanft, »die Sozialfürsorge.«
    »Eine verdammt böse Zunge haben Sie.« Auf einmal klang Ginge genau wie sein Bruder, und einen Augenblick lang sah er auch so aus, als nämlich in seinem gesunden Auge tückische Habgier aufblitzte. »Was ist denn drin für mich, wenn ich’s mache?«
    »Ein Pfund pro Tag«, sagte Wexford, »und so viel von diesem Scheißzeug – äh, diesen Demon Kings, wie Sie runterkriegen

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