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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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können.«
    Wexford wartete beklommen auf eine neuerliche Vorladung zum Chief Constable, aber es kam keine, und gegen Ende der Woche wußte er, daß Hathall sich nicht beschweren würde. Das bedeutete, wie er schon Ginge erklärt hatte, nichts weiter, als daß Hathall glaubte, der Mann, der ihm gefolgt war, hätte ihn überfallen, wenn er ihm nicht zuvorgekommen wäre. Fest stand aber – ganz gleich, was bei Ginges Pub-Spionage herauskam –, daß er den kleinen rothaarigen Kerl nicht weiter verwenden konnte. Und es nützte ihm wenig zu wissen, wie oft Hathall diesen Bus nahm, wenn er niemanden einsetzen konnte, der mit ihm zusammen einstieg.
    In Kingsmarkham war es sehr ruhig. Niemand würde etwas dagegen haben, wenn er den vierzehntägigen Urlaub nähme, der ihm noch zustand. Leute, die ihren Sommerurlaub im November nehmen, sind bei den Kollegen immer sehr beliebt. Es hing alles von Ginge ab. Wenn sich herausstellte, daß Hathall den Bus regelmäßig benutzte, warum sollte er dann nicht seinen Urlaub nehmen und versuchen, jenem Bus mit dem Wagen zu folgen? Im Londoner Verkehr, der ihn immer sehr einschüchterte, würde das zwar schwierig sein, aber außerhalb der Stoßzeiten doch nicht allzu schwer. Und es stand zehn zu eins, ach, hundert zu eins, daß Hathall ihn nicht bemerken würde. Niemand, der im Bus fährt, sieht sich die Leute in den Autos an. Niemand im Bus kann überhaupt den Fahrer eines nachfolgenden Wagens sehen. Wenn er bloß wüßte, wann Hathall bei Marcus Flower aufhörte und wann er beabsichtigte, das Land zu verlassen…
    Aber alles das wurde durch ein unvorhergesehenes Ereignis in den Hintergrund gedrängt. Er war überzeugt gewesen, die Mordwaffe würde nie gefunden werden, sondern läge auf dem Grund der Themse oder sei irgendwo auf einer städtischen Mülldeponie gelandet. Als die junge Dozentin für Volkswirtschaft ihn anrief und sagte, Arbeiter, die den Garten von Bury Cottage aufgruben, hätten eine Halskette gefunden und ihr Hauswirt, Mr. Somerset, hätte ihr geraten, die Polizei zu informieren, da war sein erster Gedanke, daß er damit Griswolds Bedenken überwinden, daß er jetzt Hathall damit konfrontieren könnte! Er fuhr persönlich zur Wool Lane hinunter – bemerkte im Vorbeifahren draußen vor Nancy Lakes Haus ein Schild ZU VERKAUFEN –, und dann betrat er die zerklüftete Wüstenei, das aufgerissene Bergwerksareal, das einmal Hathalls Garten gewesen war. Eine Ladung Natursteinplatten türmte sich in einer Ecke wie ein Gebirgszug, und bei der Garage stand ein kleiner Schaufelbagger. Konnte Griswold ihm vorwerfen, er hätte diesen Garten damals umgraben lassen sollen? Aber wenn man nach einer Waffe sucht, dann gräbt man nicht einen Garten um, der wie ein unberührtes Feld aussieht, in dem es auch nicht die kleinste unebene, frisch aufgegrabene Stelle gibt. Es hatte hier im September vor einem Jahr in dem langen Gras auch nicht die geringfügigste Trittspur gegeben. Sie hatten jeden Zentimeter durchgeharkt. Wie also hatte Hathall oder seine Komplizin es fertiggebracht, die Kette zu vergraben und Erde und Gras so wieder herzurichten, daß es unentdeckt geblieben war?
    Die Dozentin, Mrs. Snyder, erklärte es ihm.
    »Hier unten drin befand sich eine Art Schacht. Eine Senkgrube, glaube ich, nennt man das? Mir war so, als sagte Mr. Somerset was von ›Grube‹.«
    »Senk- oder Sickergrube«, erklärte ihr Wexford. »An die städtische Kanalisation ist dieser Teil von Kingsmarkham nämlich erst vor etwa zwanzig Jahren angeschlossen worden, und davor hat es hier eben eine Sickergrube gegeben.«
    »Um Himmels willen! Warum hat man sie danach nicht herausnehmen lassen?« fragte Mrs. Snyder mit der Verwunderung des Bewohners eines reicheren und hygienebewußteren Landes. »Egal, die Halskette war jedenfalls da drin, wie immer die Grube nun heißt. Das Ding da …«, sie deutete auf den Bagger, »… ist beim Graben darauf gestoßen und hat sie kaputtgeschlagen. So ungefähr erzählten es jedenfalls die Arbeiter. Ich hab es nicht persönlich gesehen. Ich möchte ja nicht Ihr Land kritisieren, Captain, aber eine Sickergrube! Nein, so was!«
    Höchlich amüsiert über seinen neuen Titel, bei dem er sich vorkam wie ein Marineoffizier, erwiderte Wexford, er verstünde durchaus, daß es wenig erfreulich sei, Betrachtungen über primitive Kloakensysteme anzustellen, und wo, bitte schön, sei nun die Kette?
    »Ich habe sie gewaschen und in den Küchenschrank gelegt. Ich habe sie mit

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