Der Kuss der Sirene
mit Eiswürfeln gefüllten Spülbecken fische. Ich öffne die Flasche und spähe in Richtung Fenster, doch das Gedränge versperrt mir die Sicht. Aber es ist sowieso stockdunkel drauÃen. Sienna hat meinen sechzehnten Geburtstag als Vorwand benutzt, um ihre bis jetzt gröÃte Party zu schmeiÃen. Die Schule hat vor zwei Wochen begonnen, doch am liebsten würden wir so tun, als ginge der Sommer einfach weiter.
Da kommt Steven mit seinem besten Freund Cole herein. Während sich die beiden unterhalten, dreht Steven mir den Rücken zu. Ein Mädchen läuft vorbei und zieht Coles Aufmerksamkeit auf sich. Sie lächelt und knufft ihn in den Arm. Er lacht, darauf dreht sich Steven um und läuft in meine Richtung. Er trägt Schwimmshorts und ein locker sitzendes T-Shirt, seine Haut ist während des langen Sommers knackig braun geworden. Einen Typ wie Steve kann man auf keinen Fall übersehen. Einer seiner Freunde streckt ihm den Arm entgegen und sie stoÃen die Fäuste gegeneinander. Steven hat drei Jahre im Football-Team gespielt. Deshalb kennt ihn jeder in der Cedar Cove Highschool.
Stevens Augen leuchten auf, als er mich entdeckt, und mir wird ganz warm. In den letzten paar Monaten hat sich einiges zwischen uns verändert. Endlich scheint er Notiz von mir zu nehmen, und insgeheim gebe ich mich der Hoffnung hin, dass er vielleicht sogar dieselben Gefühle für mich hat wie ich für ihn.
»Hallo«, sagt er und bleibt nur ein paar Zentimeter vor meiner Nase stehen. »Hast du Spa�«
Ich nicke und nehme einen Schluck aus meiner Bierflasche. Mir fällt keine geistreiche Antwort ein, deshalb nehme ich noch einen Schluck und noch einen, und schon bald ist die Flasche leer. Ich stelle sie mit einem dumpfen Geräusch auf dem Küchentresen ab. Wie kann es sein, dass er mich nach all den Jahren immer noch so nervös macht?
Steven angelt im Spülbecken nach einem Bier und kommt mir dabei noch näher. Meine Körpertemperatur steigt weiter an. »Wollen wir auf die Sonnenterrasse hochgehen?«
Ich weià nicht, ob er das laut gesagt oder nur in mein Ohr gehaucht hat. Er nimmt zwei Bier und reicht mir eins, Kondenswasser rinnt an der braunen Flasche herab.
Ich folge ihm durchs Haus. Auf der Treppe muss ich ständig auf seine Beine starren, dorthin, wo die blau-roten Shorts am Oberschenkel enden. Wir durchqueren ein Zimmer mit dunklen Ledermöbeln und Bücherregalen aus Teakholz und kommen zu einer Terrasse, von der aus man das Meer sehen kann.
Als die Glastüren aufgleiten, erfasst mich ein nie gekanntes Verlangen. Und dieses Verlangen richtet sich nicht nur auf Steven. Mein Begehren gilt auch dem Meer. Ich höre das Rauschen der Wellen in der Dunkelheit und sehe weiÃe Gischt vor dem schwarzen Hintergrund. Ein für September milder Wind weht über die Terrasse und klingt wieder ab.
Kribbelnde Wellen laufen durch meinen Körper. Es ist, als wäre das Meer direkt hier bei mir, als würde es mir ins Ohr flüstern, als riefe es meinen Namen. Ich starre wie verzaubert in die Ferne. Ich will nur eins: Schwimmen. Nein: Ich will das Meer und Steven, beides auf einmal.
Während Steven sich auf einen Holzstuhl fallen lässt, sein Bier öffnet und einen langen Schluck nimmt, bleibe ich in der Tür stehen. Als er die Flasche auf der Armlehne abstellt, sammelt sich das Kondenswasser auf den roten Zedernholzbrettern. Ich starre zuerst auf seine Finger, die noch die Flasche halten, dann wandert mein Blick seinen Arm hinauf und bleibt schlieÃlich an seinem breiten Bizeps hängen. Drei Jahre Football-Training haben Spuren hinterlassen.
Was ich jetzt erlebe, habe ich mir immer gewünscht: wie er mich so liebevoll anlächelt und erwartungsvoll auf den Stuhl neben sich klopft. Aber aus irgendeinem Grund reicht mir das nicht.
»Lass uns schwimmen gehen«, sage ich.
Er runzelt die Stirn. »Ist das dein Ernst?«
Ich nicke. »Ja.«
»Aber das hier ist deine Party.«
»Wir bleiben nicht lange weg. Höchstens zwanzig Minuten. Sag einfach Ja.« Ich grinse ihn an und spüre, wie mich eine seltsame Erregung durchströmt. »Es ist mein Geburtstag. Deshalb kannst du gar nicht Nein sagen.«
Lächelnd tritt er auf mich zu, beugt sich vor und presst seine Lippen auf meine. Doch noch bevor ich weiÃ, wie mir geschieht, zieht er sich wieder zurück. »Na dann, Geburtstagskind, du gehst vor.«
Als
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