Der Kuss der wilden Rose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
mehrstöckigen Geburtstagstorte stand, verharrte sie plötzlich und betrachtete versonnen das Kunstwerk aus süßer Creme und Zuckerguss. Einen Moment musste sie an ihre Schwester Noelle denken, die als Zuckerbäckerin an der Hochzeitstorte der Kronprinzessin mitgewirkt hatte, kehrte aber rasch wieder ins Hier und Jetzt zurück. Warum störte es sie eigentlich so, was Lorenz trieb? Ging es sie überhaupt noch etwas an? Die Sache zwischen ihnen lag schließlich bereits eine halbe Ewigkeit zurück. Und sie hatte weiß Gott schon zu viel Zeit ihres Lebens damit verschwendet, auf ein Zeichen seiner Zuneigung zu warten.
Wollte sie sich das wirklich noch einmal antun?
Nein, natürlich wollte sie das nicht. Aber warum fiel es ihr dann so schwer, zuzusehen, wie er sich mit einer anderen Frau vergnügte? Wie sollte sie dieses Gefühl deuten, dass sie fast verrückt machte? Dieses Kribbeln im Bauch, wenn er sich in ihrer Nähe aufhielt, und die Sehnsucht, die sie erfüllte, sobald sie getrennt waren?
Es war schon so lange her, dass sie Lorenz als Teil ihres Lebens betrachtet hatte. Sie sollte über diesen Punkt wirklich längst hinaus sein. Und dennoch versetzte es ihr einen Stich, ihn zusammen mit dieser drallen Landschönheit zu sehen.
War es also doch Eifersucht? Konnte das wirklich sein? Nach all den Jahren?
Lächerlich! Eifersüchtig kann man nur sein, wenn man jemanden mag. Und du willst ja wohl kaum behaupten, dass zwischen Lorenz und dir noch so etwas wie Zuneigung besteht – oder?
Dass sie diese Frage nicht ohne einen letzten Zweifel beantworten konnte, gefiel Lotte überhaupt nicht. Ein Teil von ihr fühlte sich durchaus noch zu ihm hingezogen, das ließ sich nicht leugnen. Aber mit ihren achtundzwanzig Jahren war sie doch wohl alt genug, um sich nicht einfach nur von ihren Gefühlen leiten zu lassen.
Verflixt, sie musste mit Lorenz zusammenarbeiten! Doch wie sollte das funktionieren, wenn sie schon jetzt in seiner Gegenwart immer nur an eines denken konnte: in seine Arme zu sinken und die Welt um sich herum zu vergessen?
Das musste aufhören, und zwar schnellstmöglich. Sie war kein Teenager mehr und hoffentlich auch nicht dumm genug, sich noch einmal in den Mann zu verlieben, der ihr die größte Demütigung ihres Lebens bereitet hatte. Sie …
“Sag nichts – du versuchst vor mir zu verbergen, dass du dich wunderbar amüsierst, stimmt’s?”, unterbrach Lorenz, der unbemerkt von hinten an sie herangetreten war, ihre Gedanken.
Sie drehte sich zu ihm und bedachte ihn mit einem finsteren Blick. “Ganz gewiss nicht. Und selbst wenn, was ginge es dich an?”
“Warum so schlecht gelaunt? Du bist doch nicht etwa eifersüchtig, weil ich mit Svea …?”
“Eifersüchtig?”, unterbrach Lotte ihn sogleich. “Du bist ja verrückt! Es ist mir vollkommen gleichgültig, was du treibst. Du bist ein erwachsener Mann und musst selbst wissen, was du tust.”
“Ach wirklich? Das sah mir vorhin aber ganz anders aus.”
“Ja, wirklich!”, erwiderte sie ärgerlich. “Offen gestanden tut mir jede Frau, die sich von dir und deinem aufgesetzten Charme blenden lässt, einfach nur leid!”
Schon in dem Moment, in dem sie sie ausgesprochen hatte, bereute Lotte ihre Worte. Zugleich fühlte sie sich aber auch erleichtert und fast ein wenig stolz, weil sie ihm endlich einmal die Meinung gesagt hatte. Schließlich verdiente er es nicht anders!
Doch als sie das bedrohliche Aufblitzen seiner Augen sah, ahnte sie, dass sie es zu weit getrieben hatte. Instinktiv wich sie einen Schritt zurück, stieß dabei aber mit dem Rücken gegen den Buffettisch. Im selben Moment ergriff Lorenz sie am Arm und zog sie zu sich. Für einen winzigen Augenblick sah er sie einfach nur an, dann drückte er seine Lippen auf ihren Mund, und aller Widerstand in Lotte schmolz dahin.
Es war ein Gefühl, als würde die Welt den Atem anhalten. Sie hörte die Geräusche um sich herum und wusste, dass das normale Leben weiterging. Doch Lorenz und sie befanden sich in einer Dimension, in der Raum und Zeit vollkommen bedeutungslos waren.
Natürlich sollte sie sich sträuben, ihn von sich stoßen – irgendetwas unternehmen, damit er sie nicht weiter küsste! Doch sie tat nichts dergleichen.
Nicht, weil sie es nicht konnte, nein! Sie wollte es auch gar nicht. Die Kontrolle über die Situation war ihr längst entglitten. Sie dachte nicht nach, sondern gab sich einfach nur den köstlichen Gefühlen hin, die Lorenz in ihr auslöste. Sie sehnte sich so
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