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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nichts zu tun haben!«, rief sie. »Lass mich bitte mit solchen Dingen in Frieden!«
    »Du musst mir helfen«, beharrte Miu. »Bitte! Ich will doch nur mit ihm sprechen!«
    »Das stellst du dir alles zu einfach vor, Kind! Der Goldhorus hat ganz andere Sorgen…«
    »Der Goldhorus wäre ohne mich bereits tot«, unterbrach Miu sie schroff. »Also? Wirst du mich zu ihm bringen?«
    Mayet starrte sie verblüfft an.
    »Dann komm!«, sagte sie schließlich. »Aber mehr als einen Versuch kann ich dir nicht versprechen.«
    Wieder musste Miu warten und warten, denn Mayet wurde mehrmals abgewiesen, wie sie berichtete, doch schließlich war es so weit. Tutanchamun empfing sie in dem Raum, in dem sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Heute widersprach er nicht, als sie sich vor ihm zu Boden warf, und es dauerte eine geraume Weile, bis er sie zum Aufstehen aufforderte.
    Wie prächtig er ausgestattet war!
    Der knielange Schurz aus allerfeinstem Leinen, gefältelt und blendend weiß. Ringe an vier Fingern. Schwere Armspangen. Auf der Brust ein goldenes Pektorale, ganz in Karneolrot, Lapislazuliblau und Türkis gehalten, das ein stattlicher Geier ausfüllte. Das Symbol der Göttin Nut, wie Miu dank Raias nimmermüden Erzählungen wusste. Das Schmuckstück war auffallend und wunderschön. Trotzdem ließ sein Anblick Mius Kehle noch enger werden.
    Der Mann mit dem Geierprofil - ob er es noch mal versuchen würde?
    Der Pharao musterte sie schweigend.

    Seinem glatten Gesicht war nicht anzusehen, was in ihm vorging. Schließlich gönnte er ihr ein knappes Nicken, was Miu als Aufforderung auffasste.
    »Man hat meinen Vater verhaftet, mein König, du mögest leben, heil und gesund sein«, begann sie ohne Umschweife. »Den Balsamierer Ramose. Doch er ist unschuldig …«
    »Das behaupten sie alle«, unterbrach er sie. »Später jedoch erweist sich oftmals, mit welch großer Schuld sie beladen sind.«
    »Man bezichtigt ihn der Grabräuberei«, fuhr Miu fort, womöglich viel zu hastig, weil sie das untrügliche Gefühl beschlich, ihr bliebe nicht allzu viel Zeit. »Doch das ist unmöglich! Mein Vater hegt großen Respekt vor den Toten und er hat jeden Tag mit Mumien zu tun. Niemals würde er die Ruhe eines Grabes stören! Bitte lass ihn wieder frei, Goldhorus! Er kann es nicht gewesen sein.«
    Sie hielt inne. Jetzt hatte sie nur von Papa gesprochen und Ani noch mit keinem Wort erwähnt! Doch vielleicht war es klüger, erst einmal seine Reaktion abzuwarten und erst dann fortzufahren. Und wo steckte überhaupt Jamu? Der Anblick des kleinen roten Katers hätte alles viel leichter für sie gemacht.
    »So also kommst du wieder zu mir«, sagte der Pharao nach einer Weile. »Wie viele Gesichter ein Mensch doch haben kann! Die kleine Miu als große Fürsprecherin - was die Liebe nicht vermochte, vermag nun die Angst. Die Frage ist, wie weit du zu gehen bereit wärst, um deinen Vater zu retten.«
    Er spreizte seine Hand, betrachtete sie, als wäre sie ein fremder Gegenstand.

    »So weit vielleicht?«, fragte er. »Oder weiter, bis zum ganzen Arm? Oder noch weiter? Antworte, Mädchen!«
    Mius inneres Zittern verwandelte sich in Wut. Wieso spielte er jetzt mit ihr? Weil er der König war und sie nichts anderes als eine angsterfüllte Bittstellerin? Er musste doch wissen, wie ihr zumute war! Nur mit größter Anstrengung gelang es ihr, einigermaßen ruhig zu bleiben.
    »Sehr weit, mein König«, sagte sie mit fester Stimme. »Wenn du es befiehlst.«
    Wieder schien er lange zu überlegen.
    »Siehst du, kleine Miu«, sagte er schließlich. »Genau darum geht es mir nicht. Ich habe genug Speichellecker versammelt, die mir nach dem Mund reden, in der Hoffnung, sich dadurch einen kleinen Vorteil zu sichern. Du dagegen warst immer anders - bis heute. Du hast mich enttäuscht, Mutemwija. Sehr enttäuscht.« Er wandte seine Augen von ihr ab. »Du darfst dich jetzt zurückziehen.«
    Im ersten Moment glaubte Miu, nicht richtig gehört zu haben. Doch sie hatte richtig gehört. Ein Blick in sein trotziges, verschlossenes Gesicht verriet es ihr.
    »Bitte, Goldhorus«, rief sie in jäh aufsteigender Verzweiflung, »schick mich nicht so fort!« Sie hob den Arm und hielt ihm die Armspange entgegen. »Im Namen der roten Löwen, die wir beide so sehr lieben …«
    »Es reicht!« Zu ihrem Entsetzen war er mit wütender Miene aufgesprungen. »Du hast mir einen großen Dienst erwiesen und ich habe mich dafür erkenntlich gezeigt. Damit sind die Waagschalen ausgeglichen. Es

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