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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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mit Kenamun geschehen?«, sagte sie. »Wenn man ihn dort zusammen mit den anderen erwischt, ist er doch ebenfalls fällig! Wer wird ihm schon glauben, wenn er aussagt, man habe ihn zum Mitmachen gezwungen? Sie prügeln ihn einfach so lange, bis er seine Schuld eingesteht.«
    Sie begann zu weinen. Sogar Keku stieß ein klägliches Quieken aus, als hätte er jedes Wort verstanden.
    »Du darfst dich nicht aufregen, Liebes!«, sagte Sheribin mit besorgter Miene. »Das schadet euch beiden.«
    »Kenamun hat es deinetwegen getan, Iset«, sagte Ani. »Wegen deiner Familie. Das hat er mir gestanden. Jetzt will ich endlich die wahren Gründe erfahren, und zwar von dir, Sheribin: Wer von euch hat etwas so Schlimmes verbrochen, dass man ihn damit erpressen konnte?«
    Sheribin war sehr blass geworden.
    »Ich kann es dir nicht sagen«, flüsterte sie. »Das hab ich jemandem schwören müssen.«
    »Aber du musst es trotzdem tun«, rief Iset. »Deinem Enkelkind zuliebe. Und für Kenamun!«
    Sheribin seufzte, dann griff sie nach dem Tisch, als suche sie Halt.
    »Vielleicht ist es besser, wenn es einmal heraus ist«, sagte sie. »Damit diese Lügen endlich ein Ende haben.«
    »So schlimm, Mutter?«, fragte Iset beklommen.
    Sheribin nickte. »Die Vorfälle gehen zurück in die
Zeiten der Sonnenstadt. Als Pharao Echnaton alle Götter verboten hatte und die Menschen nur noch zu Aton beten sollten. Viele haben sich nicht daran gehalten und heimlich weiterhin die alten Götter verehrt. Doch wenn man dabei erwischt wurde, waren die Konsequenzen schrecklich.«
    Sheribin berührte Anis Arm, als wollte sie Abbitte bei ihm leisten. Ihrer Tochter warf sie ebenfalls einen flehenden Blick zu. Würde Iset ihr vergeben können?
    »Dein Vater war Vorlesepriester und Schreiber im Lebenshaus. Er hätte die Vorschriften also besser kennen müssen als jeder andere. Doch als deine Mutter zum zweiten Mal schwanger wurde, wurde auch er schwach. Nefer besorgte Taheb eine kleine Statue des Gottes Bes, der Schwangere und Neugeborene beschützen soll. Dabei wurde er beobachtet - und denunziert.«
    Ani starrte sie an wie eine Erscheinung. »Aber ich habe doch gar keine Geschwister«, sagte er verdutzt.
    »Meine Geschichte ist ja auch noch nicht zu Ende«, antwortete Sheribin. Iset merkte ihrer Mutter an, dass ihr das Weiterreden immer schwerer fiel. »Nefer verlor alles, was er besessen hatte: Haus, Stellung, Ansehen. Hals über Kopf musste er mit euch aus der Sonnenstadt in eine ungewisse Zukunft fliehen. Dabei erlitt Taheb eine Fehlgeburt. Der Gott Bes, für den Nefer so viel riskierte, hat ihr kein Glück gebracht.«
    »Wer hat meinen Vater denunziert?«, fragte Ani. »Es klingt so, als wüsstest du das auch.«
    Sheribin stieß einen tiefen Seufzer aus.
    »Pached, mein Mann«, sagte sie. »Der ebenfalls Schreiber war und hoffte, damit aufzusteigen - was allerdings misslang. Wenig später hat man ihn selber wegen eines
ähnlichen Verdachts angezeigt. Auch wir mussten fliehen und haben dabei alles verloren. Nefer allerdings glaubt bis heute, der Verräter von damals, der sein Leben zerstört hat, sei Ramose gewesen. Jemand muss ihm das eingeredet haben.«
    Erschrocken schaute Iset von Sheribin zu Ani. Erst nach und nach sickerte die ganze Tragweite des Geschehenen in ihr Bewusstsein. Doch noch immer blieben viele Fragen zurück.
    »Und wieso ist dein Vater zu unserem Gönner geworden, nachdem mein Vater ihn damals verraten hatte? Wie kann das sein?«
    Anstelle von Ani antwortete Sheribin: »Pached hat seine Tat später bereut. Und er hat Nefer, bevor er starb, Pläne über die Lage der Königsgräber überlassen, als eine Art Wiedergutmachung, wie ich vermute. Wie er an diese Pläne gekommen ist, hat er mir niemals offenbart, und als er schließlich so krank wurde, hab ich irgendwann aufgehört, ihn danach zu fragen.«
    Sheribin redete immer schneller, als wäre sie begierig, alles so lange Verschwiegene endlich auszusprechen und hinter sich zu lassen.
    »Allerdings habe ich meinen Mann bis zum Schluss bestürmt, Nefer die Wahrheit zu sagen. Kurz vor seinem Ende hat Pached mir dann endlich versprochen, es zu tun. Doch da war es leider schon zu spät. Er starb, noch bevor er sein Versprechen einlösen konnte.«
    Jetzt liefen dicke Tränen über ihre Wangen.
    »Er hat uns mittellos zurückgelassen. Und als Nefer dann anbot, uns zu unterstützen, habe ich es einfach nicht fertiggebracht, ihm die Wahrheit zu gestehen.« Flehend sah sie
Ani an. »Ich hab mich immer

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