Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
er aus wie ein aufgeregter Junge.
    »Deshalb wird es auch schon bald eine neue Rennbahn geben. Mit wahrhaft abenteuerlichen Kurven. Sobald sie fertig ist, weihen wir sie ein - und zwar zusammen mit den neuen Hengsten!«

    Ramose saß vor seinen Unterlagen und rechnete. Alles in allem konnte er zufrieden sein, auch wenn die Bücher bezeugten, dass der Umsatz im vergangenen Jahr höher gewesen war. Noch immer war er Wasets erfolgreichster Balsamierer, wenngleich es einen jüngeren Konkurrenten gab, ein Stück nilabwärts, den er schon eine ganze Weile argwöhnisch beobachtete, weil er ständig anbaute.
    Er seufzte und kratzte sich am Kopf. Wenn es ihm nicht endlich gelang, das Grübeln abzustellen und sich wieder ganz auf sein Geschäft zu konzentrieren, würde sein Umsatz vermutlich weiter sinken.
    Aber was sollte er tun? Seine Lebensbarke war bedenklich ins Trudeln geraten. Das blutrote Amulett vor ihm auf dem Tisch erinnerte ihn jeden Tag daran, wie sehr.
    Seitdem der Brief Waset in Richtung Norden verlassen hatte, war seine innere Unruhe noch weiter gestiegen. Jetzt gab es keinen Tag mehr, wo Ramose nicht einen Abstecher zum Hafen unternommen hätte. Auf jedem Schiff, das anlegte, konnte sie sein - Sadeh, seine Frau, die er neun lange Jahre nicht mehr gesehen hatte.
    Hätte er auch Raia darüber informieren sollen?

    Um sich nicht vor der Schwiegermutter zu blamieren, falls Sadeh seine dringliche Bitte ausschlagen und doch nicht kommen sollte, hatte er lieber darauf verzichtet. Und wenn Sadeh krank wäre? Oder aus einem anderen Grund nicht dazu in der Lage?
    Eine eisige Hand griff nach seinem Herzen.
    »Meister?« Ipi streckte seinen kantigen Schädel durch die Tür.
    »Was gibt es?« Ramose gelang es gerade noch, den Herzskarabäus blitzschnell unter ein paar Lagen Papyrus verschwinden zu lassen.
    Der Gehilfe kam näher und bleckte die Zähne. »Hast du schon mit Miu gesprochen?«, fragte er. »Du weißt schon - in jener gewissen Angelegenheit.«
    Dass er es wagte, ihn ausgerechnet jetzt damit zu belästigen, wo ihn ganz andere Sorgen quälten!
    Sadeh hatte stets getan, was sie für richtig gehalten hatte, und Miu schien ihrer Mutter darin nachzukommen, je älter sie wurde. Einen eigenen Kopf hatte sie ja schon immer gehabt, in letzter Zeit aber konnte sie richtig stur sein. Miu mochte Ipi nicht, das hatte sie Ramose unmissverständlich zu verstehen gegeben, während er selbst diese Verbindung gar nicht so unklug fand. Doch es würde Zeit erfordern, seine störrische Tochter umzustimmen, wertvolle Zeit, über die er gerade nicht verfügte.
    »Das mache ich bei Gelegenheit«, sagte er, ohne aufzuschauen. »Sonst noch was?«
    Ipi rührte sich nicht von der Stelle. Sein plumper, gedrungener Körper schien den Raum immer mehr zu füllen - und er verströmte einen unerträglich süßlichen Geruch.

    »Du solltest dir bei Gelegenheit Nelkenöl besorgen«, sagte Ramose und musste dabei wieder an den schmerzlichen Verlust all seiner kostbaren Essenzen denken. Natürlich hatte er bereits damit begonnen, neue Vorräte anzulegen, die er besser unter Verschluss hielt - doch wie lange würde es dauern, an den verlorenen Bestand auch nur halbwegs wieder anzuschließen! »Das hilft am besten. Zuvor musst du dich allerdings gründlich von Kopf bis Fuß waschen! In unserem Beruf hat man allergrößten Wert auf Reinlichkeit zu legen. Ich dachte, zumindest das hätte ich dir beigebracht.«
    »Ich soll noch länger warten?« Ipis Stimme klang dumpf. »Ein Aufschub? Oder geht es eher darum, mich dauerhaft hinzuhalten? Spiel nicht mit mir, Meister! Ich merke immer, wenn jemand mich für dumm verkaufen will.«
    »Was fällt dir ein!« Ramose warf die Binse auf den Tisch. Das Resultat war ein großer Tuscheklecks auf seinem makellosen Papyrus, was ihn nur noch mehr erboste. »Du weißt wohl nicht, wen du vor dir hast.«
    »Meinen Meister«, erwiderte Ipi prompt, »der mich zum glücklichsten Mann der Welt machen könnte, genau so, wie er es mir in Aussicht gestellt hat.« Sein Tonfall war eine Mischung aus Unterwürfigkeit und Penetranz.
    Ramose wurde es plötzlich unbehaglich zumute.
    Was für ein Wahnsinn, Miu diesem Mann versprechen zu wollen, jetzt wo Sadeh jeden Tag hier eintreffen konnte! Sie würde ihm niemals verzeihen, sie von diesen Überlegungen ausgeschlossen zu haben. Womöglich war er überhaupt zu weit gegangen und hätte Ipi niemals irgendwelche Hoffnungen machen sollen. Aus Ärger und Angst hatte er gehandelt - das waren

Weitere Kostenlose Bücher