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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht ungehorsam sein, aber sie trugen einfach weiterhin ihre Bitten und Sorgen zu ihren alten Göttern, genauso wie sie es immer schon getan hatten. Das duldete der Pharao nicht länger und schickte seine Häscher aus. Es kam zu großen Denunziationswellen. Keiner konnte dem anderen mehr trauen. Echnaton strebte nach Wahrheit und Licht - und hat doch so viel Leid über sein Volk gebracht. Als er starb, hat Kemet ihn gehasst, ausgerechnet ihn, der von allen nur geliebt werden wollte.« Jetzt klang Großmama bitter.
    »Gibt es deshalb auch keine Sonnenstadt mehr?«, fragte Miu.
    »Sein Ende war schrecklich, aber das Ende seiner geliebten Sonnenstadt, die er zu Ehren Atons in kürzester Zeit erschaffen hatte, war nicht minder schrecklich«, erwiderte Raia. »Wo einst Häuser und Paläste errichtet waren, wo breite Kanäle zu Bootsfahrten einluden und blühende Gärten prangten, da weht heute nur noch der heiße Atem Seths. Die Wüste hat sich zurückgeholt, was man ihr einst abgerungen hatte - all die Schönheit ebenso wie jenen Schattenregenten, der Echnaton für kurze Zeit nachgefolgt war. Sein Name war bereits vergessen, kaum hatte er den letzten Atemzug getan.«
    Miu war sehr nachdenklich geworden.
    »Ich erinnere mich noch gut an jenen Abend, als jener Schattenpharao gestorben war«, sagte sie. » Der Falke ist zum Himmel geflogen - da hab ich diesen Satz, der alles verändern sollte, zum ersten Mal gehört und den jetzigen Pharao getroffen,
der damals noch ein Junge war. Ebenso gut erinnere ich mich an den nächsten Tag. Mama war auf einmal nicht mehr da. War sie damals eigentlich schon tot?«
    Raia murmelte Unverständliches.
    »Auf jeden Fall hatte Papa mich in eine stockdunkle Kammer gesperrt und dort allein gelassen«, fuhr Miu fort. »Doch jemand hat mich plötzlich rausgezerrt, ins grelle Tageslicht, er, der Mann mit dem Geierprofil. Ich hab ihn wiedererkannt, Großmama, neulich erst, im Palast! Er war dort, er, der widerliche Kerl aus meinen Albträumen …«
    Raia hatte sich abrupt erhoben.
    »Es war eine schwere Zeit für uns alle, mein Mädchen, und du warst damals noch sehr klein. Schau, das erste Licht fährt gerade über den Himmel! Vielleicht legst du dich noch ein wenig aufs Ohr, was meinst du? Dann kommst du frischer durch den langen Tag!«
    Sie hatte das wie nebenbei gesagt, doch Miu kannte Großmama. Sobald Raia jenen gewissen Ton anschlug, ging es immer um wichtige Dinge. Dinge, die allerdings heruntergespielt werden sollten.
    Schon wieder ein Geheimnis?
    Wenn sie es genau betrachtete, schien die ganze Vergangenheit voller Geheimnisse zu stecken. Doch Miu war nicht mehr die naive Kleine von damals, die man einfach herumschubsen konnte und die alles unhinterfragt hinnahm.
    Höchste Zeit, dass die anderen das auch begreifen lernten!

    »Du bringst mir meinen Mörder - endlich?« Der Pharao ließ seinen Bogen sinken und starrte dem Besucher entgegen.
    »Welch erlesene Arbeit, Goldhorus!«, sagte Eje anerkennend. »Wer diese Waffe für dich geschaffen hat, versteht seine Kunst.«
    Tutanchamun hatte für die mit Gold eingelegten Blattund Tiermotive auf seinem Ebenholzbogen nur einen kurzen Blick. »Vergiss das Äußere - schau lieber, was ich damit anstellen kann!«
    Der Waffenmeister reichte ihm einen neuen Pfeil aus dem Köcher. Der Pharao spannte, zielte und schoss. Vibrierend bohrte sich der Pfeil exakt in die Mitte der Zielscheibe.
    »Komm«, rief er. »Das musst du dir ansehen!«
    Eje folgte Tutanchamun - und staunte.
    »Dein Pfeil hat das Holz ja regelrecht durchschlagen, Einzig-Einer«, sagte er.
    »Mindestens drei Finger tief!« Auf dem Gesicht des Pharaos zeigte sich ein breites, zufriedenes Lächeln. »Ich lasse gerade neue Zielscheiben aus Kupfer anfertigen. Mal sehen, wie lange die mir standhalten können!«
    »Dann stimmt es auch, dass du das Schwimmen wieder aufgenommen hast?«, fragte Eje.
    »Dreißig Bahnen. Morgen für Morgen. Ich wünschte nur, ich könnte mich zusätzlich im Stockfechten üben oder mit einem gleichwertigen Gegner in den Ring steigen, doch das ist mir als König ja leider verwehrt.«
    »Keiner dürfte gegen dich antreten. Denn du wirst immer Sieger sein, Einzig-Einer. Kein Sterblicher könnte sich jemals mit dir messen.«

    »Ich spüre auch so bereits, wie mein Körper sich zu verändern beginnt, und das gefällt mir.« Ein Schatten ging über Tutanchamuns Gesicht. »Es gibt keinen Namen, nicht wahr? Wir tappen noch immer im Dunkeln!«
    Eje senkte den

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