Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
Vom Netzwerk:
garantiert nicht will, dass es zwischen uns aus ist! Okay?«, brach es aus ihm heraus. Ich blinzelte, schluckte. »Okay«, bestätigte ich dann. Julien sah mich für eine Sekunde geradezu verzweifelt an, ehe er brüsk nickte und sich abermals auf seine Fesseln konzentrierte.
    Eine Weile beobachtete ich ihn dabei, wie er in verbissenem Schweigen mit der verbogenen Drahtklammer und dem Schloss kämpfte. Dann erklang ein kaum hörbares Klicken und der linke Bügel der Handschellen öffnete sich. Mit einem erleichterten und zugleich befriedigten Brummen schüttelte Julien seine befreite Hand, um schneller wieder Gefühl in sie hineinzubekommen. Ich wurde mit einem kurzen Grinsen bedacht, ehe er das Stück Draht in die Linke nahm und sich an dem zweiten Schloss zu schaffen machte. Jetzt, da er seine Hände frei bewegen konnte, hielt es seinen kaum mehr als einer Minute auf. Julien streifte seine Fesseln endgültig ab und rieb sich kurz die Handgelenke. Ich stand auf und streckte ihm die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Er hatte meinen Arm schneller gepackt, als ich nach Luft schnappen konnte. Mein Shirt war bis zum Ellbogen in die Höhe geschoben. Für ein paar Sekunden starrten wir beide auf die bläulichen Adern unter meiner Haut auf der Innenseite meines Handgelenkes. Das rote Glimmen war in Juliens Augen zurückgekehrt und schien sich mit jedem meiner angespannten Atemzüge zu verdüstern und gleichzeitig stärker zu werden. Mit einem leisen Grollen beugte er sich vor, den Mund leicht geöffnet. Ich stand da wie gelähmt und starrte auf ihn hinab. Meine Kehle war zu trocken zum Schlucken. Sein Atem streifte meine Haut und ich fragte mich plötzlich, ob es wehtun würde, wenn er zubiss. »Nein!«
    Unwillkürlich sog ich mit einem kleinen Schrei die Luft ein.
    »Nein!«, wiederholte Julien und klang dabei wie jemand, der sich selbst einen Bissen seiner lang ersehnten Lieblingsspeise versagte. Er hatte meinen Arm so jäh losgelassen, als hätte er sich daran verbrannt.
    »Lass uns von hier verschwinden. Das nächste Mal kann ich mich vielleicht endgültig nicht mehr beherrschen.« Er wies zur Treppe. Beklommen setzte ich mich rückwärts in Bewegung. Ich konnte mich nicht dazu überwinden, ihm den Rücken zuzukehren. Julien quittierte es mit einem traurigen Nicken, das eher ihm selbst als mir galt, bückte sich nach dem Schürhaken und folgte mir. An der Treppe schob er sich an mir vorbei, bedeutete mir, hier zu warten und leise zu sein, dann stieg er die Stufen hinauf. Angestrengt lauschte ich ihm hinterher. Ganz kurz glaubte ich etwas wie ein Keuchen und einen Aufschlag zu hören und hielt den Atem an. Was würde geschehen, wenn man uns jetzt entdeckte? Erleichtert wagte ich wieder zu atmen, als Julien einen Augenblick später am Ende der Treppe auftauchte und mich zu sich winkte jedoch nicht, ohne noch einmal nachdrücklich den Finger auf die Lippen gepresst zu haben. Ich nickte und schlich die Stufen hinauf. Nicht eine knackte unter mir. Oben erwartete Julien mich angespannt. Erschrocken blieb ich stehen, als ich den Mann bemerkte, der, halb von einem Sessel verborgen, ein Stück von der Treppe entfernt, regungslos auf dem Boden lag. Es war einer der Leibwächter. Sein Kopf war in einem unmöglichen Winkel verdreht und abgeknickt. An seiner Kehle war Blut. Ich schluckte. Julien schob sich zwischen mich und den Mann, lenkte meine Aufmerksamkeit von dem Körper weg und auf sich. War das Blut in seinem Mundwinkel? Ich riss meinen Blick davon los. Erneut bedeutete er mir leise zu sein und wies auf die Tür, die zu Samuels Arbeitszimmer führte. Sie stand einen Spaltbreit offen. Hinter ihr waren die Stimmen mehrerer Männer zu hören. Eben sagte mein angeblicher Onkel etwas. Was, konnte ich nicht verstehen, doch zustimmendes Gemurmel antwortete ihm. Ein wenig hilflos blickte ich Julien an. Der Salon lag auf der Rückseite des Hauses. Es gab nur diese eine Tür. Julien verstand, ohne dass es auch nur eines Wortes bedurft hätte, nickte zu den beiden Fenstern hin, von denen die schweren Vorhänge zurückgezogen waren, und glitt vollkommen lautlos durch den Raum auf sie zu. Seine gefährliche Geschmeidigkeit war zurückgekehrt. Aber obwohl er anscheinend getrunken hatte, hielt er weiterhin vorsichtig Abstand zu mir, so als traue er sich selbst noch immer nicht. Ich folgte ihm hastig, darum bemüht, ebenso leise zu sein wie er.
    Gerade als er die Hand nach dem Fenstergriff ausstreckte, erreichte ich ihn. Ich packte seinen Arm.

Weitere Kostenlose Bücher