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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Zuschauerraum sich als gähnender Schlund am Ende des Ganges erahnen ließ, blieb es dunkel. Die Taschenlampe noch einmal anzumachen - und sei es auch nur für eine einzige Sekunde
    - wagte ich nicht, denn dieses Mal wäre ihr Schein auch im vorderen Teil des Bohemien unübersehbar gewesen.
    Je weiter ich mich dem Durchgang zum Zuschauerraum näherte, umso mehr zeichneten sich die Silhouetten der aufeinandergestapelten Tische und Stühle vage vor mir in der Dunkelheit ab. Durch die Glaskuppel drang schwach das Mondlicht herein, doch es genügte nicht, um die Finsternis unter ihr zu mehr zu mildern als einem schwarzen Grau. Ich hatte den Durchgang fast erreicht, als das Geigenspiel abbrach. Mit angehaltenem Atem blieb ich stehen und lauschte. Es war vollkommen still. Kein Knacken des Bühnenbodens, keine Schritte, noch nicht einmal das Geräusch von Atemzügen war zu hören. Vorsichtig bewegte ich mich weiter. Jäh packte mich eine Hand an der Kehle und presste mich gegen die Wand. Von einer Sekunde auf die andere baumelten meine büße in der Luft. Neben mir fiel etwas von der Wand und zerbarst mit deutlichem Klirren. Ich versuchte mit der Mag nach dem Angreifer zu schlagen. Sie wurde abgefangen, mein Handgelenk grob festgehalten. Die Hand an meiner Kehle drückte zu. Mein Schrei wurde zu einem abgewürgten Japsen, das in dem Knirschen von Glas unterging, mit dem die Taschenlampe auf dem Boden aufprallte.
    Ein Fauchen erklang direkt an meinem Ohr, auf das ein gedämpfter Fluch folgte. Im nächsten Moment fand ich mich am Fuß der Wand wieder, weil die Hände mich unvermittelt losgelassen hatten.
    »Du? Scheiße, ist man vor dir denn nirgends sicher, Warden? «, knurrte eine nur zu vertraute Stimme aus der Dunkelheit.
    Ich hustete und rieb meinen misshandelten Hals. »Bist du jetzt endgültig übergeschnappt, du Irrer? Wolltest du mich umbringen?«
    »Ja. - Was zum Teufel tust du hier?«
    »Das Gleiche könnte ich dich tragen«, ärgerlich tastete ich in der Dunkelheit nach der Taschenlampe. Als ich sie gefunden hatte, schob ich mich an der Wand entlang in die Höhe. DuCraine war nicht Gentleman genug, um mir aufzuhelfen. Im Gegenteil, er wich einen Schritt zurück. Er stieß ein Schnauben aus.
    »Was glaubst du wohl? Mich vor dir verstecken, Warden.«
    »Haha. Ich lache später.« Meine Stimme hatte die Klangqualitäten eines Reibeisens.
    »Tu das! Aber vorher verschwinde wieder.« Seine Schritte entfernten sich. Ich erahnte seinen Schatten kurz vor dem schwarzen Grau des Zuschauerraumes, dann war er nicht mehr zu sehen. Der Bühnenboden knarrte vernehmlich. Warum hatte ich ihn zuvor nicht gehört? Die Mag-Lite hatte offenbar den Dienst quittiert, denn als ich versuchte sie anzuknipsen, um wenigstens jetzt zu sehen, wohin ich trat, blieb es dunkel. Ich hatte keine andere Wahl, als mich in der beinahe vollständigen Finsternis hinter ihm herzutasten.
    Schließlich erreichte ich den Rand der Bühne und kletterte hinauf. Ein paar Meter weiter bewegte sich ein Schatten.
    »Was machst du hier?« Meine Stimme hallte
    gespenstisch in der Dunkelheit.
    »Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Warden. Verschwinde wieder! Brave kleine Mädchen wie du sitzen um diese Uhrzeit mit Mommy und Daddy vor der Glotze und brechen nicht in alte Theater ein.«
    Seine Worte taten weh. Ich hatte niemals die Chance gehabt, mit meiner Mutter und meinem Vater auch nur eine gemeinsame Minute zu verbringen - zumindest konnte ich mich nicht daran erinnern. Aber er wäre der Letzte, dem ich das erzählen würde.
    »Ich bin nicht eingebrochen«, verteidigte ich mich stattdessen.
    »Ach? Nein? Durch den Vorder-oder Hintereingang bist du aber auch nicht gekommen. - Zieh Leine!«
    »Vermutlich habe ich den gleichen Weg hier herein genommen wie du«, hielt ich bissig dagegen.
    Er lachte. »Das glaube ich kaum. - Hau ab und spiel mit deinen sauberen Freunden.«
    »Nicht, ehe du mir ein paar Fragen beantwortet hast.«
    Anstelle einer Antwort erklang die Geige. Dieser Mistkerl! Ich wog die Mag in der Hand. Wie viele Jahre gab es wohl auf Mord mit einer Taschenlampe? Ob ich damit durchkäme, wenn ich behauptete, ihm den Schädel im Affekt eingeschlagen zu haben? Aber möglicherweise würde man mich auch gar nicht verdächtigen? So wie er sich benahm, harte er garantiert eine ganze Menge Feinde. Ich holte tief Luft. Vielleicht kam ich ja mir ein bisschen Freundlichkeit und Charme weiter.
    »Du spielst gut.«
    Er antwortete nicht.
    »Wo hast du es gelernt?«

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