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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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irgendwelche Gerüchte über ihn verbreiten. Ich wollte meine Hand gerade zurückziehen, da ergriff er sie doch.
    »Friede«, bestätigte er, aber es klang, als täte er es wider besseres Wissen. Sein Griff war kaum mehr als ein kurzes Streifen unserer Handflächen, ehe er wieder Abstand zwischen uns brachte. Man hätte glauben können, er ekle sich davor, mich anzufassen oder weiter in meine Nähe zu kommen als unbedingt nötig. Ich schluckte die spitze Bemerkung runter, die ich schon auf der Zunge hatte. Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Ich hatte die Antworten, die ich hatte haben wollen, demnach gab es keinen Grund mehr zu bleiben - doch das war genau, was ich wollte: Bleiben. Mit ihm reden - worüber auch immer -, nur nicht gehen.
    Es war, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Du weißt, was du wissen wolltest. Du kannst also nach Hause gehen. Deine Leute werden schon auf dich warten.« Er ruckte mit dem Kinn zu dem finsteren Gang hin, durch den ich hereingekommen war. Deutlicher konnte ein Rausschmiss gar nicht sein.
    Ich kämpfte meinen Ärger nieder, nickte »Bis morgen dann«, drehte mich um und ging. Im trüben, flackernden Licht der Mag sah ich jetzt auch die gerahmten Plakate, die an den Wänden hingen. Eines davon lag mit zerbrochenem Glas am Boden. Mit einem ziemlich großen Schritt trat ich über die Scherben hinweg. Doch offenbar hatte ich einige übersehen. Es knirschte erneut. Mein Versuch, mich auch noch darüber hinwegzuretten, hätte mich fast mein Gleichgewicht gekostet und ich musste mich an der Wand abstützen. Ausgerechnet mit der Hand, mit der ich die Mag festhielt. Es gab einen dumpfen Schlag und ich stand in tiefer Dunkelheit. Mit einem Fluch schüttelte ich die Taschenlampe in der Hoffnung, sie so noch einmal zum Leben erwecken zu können. Vergebens.
    Unvermittelt stand Julien DuCraine neben mir. Wieder hatte ich ihn nicht gehört - und das trotz der Scherben auf dem Boden. Auch wenn es absurd war: Irgendetwas an ihm war seltsam.
    »Wo bist du reingekommen?« Er packte meinen
    Ellbogen. »Da hinten irgendwo.« Ich gestikulierte in die Dunkelheit. »Warum?«
    »Ich bring dich hier raus, ehe du dir den Hals brichst.«
    Damit wurde ich vorwärtsgezerrt. Ich konnte mit seinem Tempo in der Schwärze kaum mithalten. Was seine Behauptung betraf, nachts ziemlich gut sehen zu können, stellte ich fest, dass er nicht übertrieben hatte. Er dirigierte mich um für mich nicht zu erkennende Hindernisse herum, ohne auch nur einmal langsamer zu werden. Die Tür zu dem Abstellraum, durch dessen Fenster ich hereingekommen war, fand er auf Anhieb. Und auch den Weg durch all die Möbel hindurch bewältigte ich dank ihm, ohne mir irgendwo die Knie anzustoßen.
    Vor dem alten Sofa blieb er stehen und sah zu dem schmalen Fenster hinauf.
    »Da bist du durchgekommen?«
    Ich nickte und beobachtete verwirrt, wie er auf das Sofa stieg und nach dem Fensterrahmen griff. »Was wird das?«
    Er blickte auf mich herunter. »Ich bringe dich zu deinem Auto.«
    »Und warum?«
    »Warum nicht?«
    »Ich dachte, du wolltest noch hierbleiben.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab heute Nacht ohnehin noch etwas anderes vor. Ob ich jetzt gehe oder später, ist für mich gleichgültig.«
    Ehe ich noch etwas sagen konnte, glitt er geschmeidig - und vollkommen mühelos, wie ich neidvoll feststellte - durch das Fenster ins Freie. Ein Schaben und ein paar Worte in einer Sprache, die ich nicht verstand, die aber nach einem Fluch klangen, erinnerten mich an die altmodische Mülltonne darunter. Vielleicht hätte ich ihm von ihr erzählen sollen?
    »Komm schon!«, zischte es von draußen.
    Ich stieg auf das Sofa und kroch aus dem Fenster. Möglicherweise stellte ich mich DuCraines Meinung nach ein wenig ungeschickt an, denn er packte mich von der anderen Seite und zog mich hindurch. Dabei hielt er mich an den Schultern fest, was verhinderte, dass ich mit dem Kopf voran die Wand hinunterschlitterte. Doch um wieder in die Senkrechte zu gelangen, blieb mir nichts anderes übrig, als die Arme um seinen Hals zu legen und mir endgültig hinaus-und hinunterhelfen zu lassen. Er war größer als ich. Eine Sekunde lang baumelten meine Füße zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ein Stück über der Erde - bis er meine Arme mit grober Hast von seinem Hals löste und Abstand zwischen uns brachte. Überrascht wankte ich und versuchte mit einem Schritt zurück mein Gleichgewicht zu retten. Ich stieß gegen die Mülltonne. Der Deckel

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