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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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ich unter Umständen gleich irgendwelchen zwielichtigen Typen gegenüberstehen. Ich ignorierte das zaghafte Stimmchen in meinem Kopf, das vorschlug, doch besser bis morgen zu warten, und sah mich nach einer Kletterhilfe um. Eine der Mülltonnen war geradezu ideal. Bemüht, keinen Lärm zu machen, zerrte ich sie unter das schmale Fenster, stieg darauf und kippte es auf, so weit es möglich war. Ich leuchtete in den Raum dahinter. Er war vollgestopft mit Kisten und von verstaubten Leintüchern zugehängten Möbeln. Ein letztes Zögern, ein letzter Blick durch den Hinterhof, dann legte ich die Mag auf die Fensterbrüstung und zwängte mich mühsam hindurch. Um ein Haar wäre ich stecken geblieben und meine Angst, was zwielichtige Typen anging, schwand schlagartig. Wer nur ein klein wenig mehr Umfang hatte als ich, würde hier nicht durchpassen. Etwas, was sich anfühlte wie ein Sofa aus Großmutters Zeiten, stand direkt unter dem Fensterchen und gestaltete meinen Kopfüber-Abstieg einfacher - und vor allem bequemer -, als ich befürchtet hatte.
    Ich angelte die Taschenlampe von der Fensterbrüstung und ließ ihr Licht erneut durch den Raum schweifen. Hier gab es tatsächlich nichts anderes als Kisten und Möbel. Die Tür war genau am anderen Ende dieses Chaos. Ich zwängte mich zwischen zwei Sesseln hindurch und begann mir meinen Weg zur Tür zu bahnen. Ein Blitzen von Licht und eine Bewegung schräg vor mir ließen mich zurückzucken. Das erschrockene Quietschen war schneller über meine Lippen, als mein Verstand begriff, dass da ein Spiegel an einer Kiste lehnte, der nicht ganz unter einem Tuch verborgen war, und dass alles, was ich zu sehen geglaubt hatte, mein eigenes Spiegelbild und die Reflexion meiner Taschenlampe gewesen war. Verärgert über meine Schreckhaftigkeit kletterte ich über das nächste Möbel und setzte meinen Weg quer durch den Raum fort.
    Die Tür war nicht abgeschlossen und schwang lautlos nach innen auf. Ich hatte sie gerade einen Spaltbreit geöffnet, als ich zögerte und angespannt auf den dunklen Gang hinaus lauschte. Entweder hatte ich mir wirklich den Kopf gestoßen und halluzinierte oder da spielte wahrhaftig jemand ... Geige? Ich zog die Tür ein wenig weiter auf. Tatsächlich. Die Musik war kaum hörbar, doch unendlich sanft und süß und von einer geradezu qualvollen Sehnsucht. Sie wogte sacht, stieg und fiel, bis sie in einem harten Crescendo zu Tönen anschwoll, die nichts als Zorn und Bitterkeit und Verzweiflung waren - und die in mir den Wunsch weckten, um mein Leben zu rennen. Doch dann sanken sie erneut ins fast Lautlose hinab und wurden wieder zu jener sanften, sehnsuchtsvollen Melodie, bis sie ganz verstummten.
    Ich stand da und lauschte in die gespenstische Stille, die mit einem Mal über allem lag. Wenn es irgendwelche Gerüchte gegeben hätte, dass es im Bohemien spukte, hätte ich davon gewusst, denn dann hätte Beth mich schon vor sehr langer Zeit einmal des Nachts hierhergeschleppt. Wer also spielte hier zu dieser Uhrzeit Geige? Doch wohl nicht Julien DuCraine? Die Vorstellung hätte mich beinah zum Lachen gebracht. Andererseits: In dieser Kammer hinter der Bühne hatte er eine alte Geige in der Hand gehabt - und seine Fireblade stand noch vor der Tür. Als das Geigenspiel erneut einsetzte, siegte meine Neugier über den Rest Vorsicht, der in meinem Verstand noch übrig geblieben war. Ich wog die Mag in der Hand. Wenn es sein müsste, würde sie notfalls eine halbwegs brauchbare Waffe abgeben.
    Langsam zog ich die Tür gänzlich auf und spähte hinaus. Es war stockfinster. Ganz kurz nur ließ ich den Lichtkegel über die Wände huschen, um mich zu orientieren. Wer auch immer außer mir noch hier war: Der Lichtschein konnte ihm meine Anwesenheit verraten. Und sollte es doch nicht DuCraine sein, wollte ich ungesehen wieder verschwinden können.
    Ich musste mich irgendwo hinter der Bühne befinden. Wahrscheinlich dort, wo die Darsteller früher ihre Garderoben hatten. Ein schmaler Gang führte in die Richtung, in der ich den Zuschauerraum vermutete. Ein paar Türen gingen zu beiden Seiten von ihm ab. Alle waren sie geschlossen. Auch an seinem Ende hatte ich kein Licht gesehen. Noch einmal ließ ich die Taschenlampe aufblitzen, versuchte mir einzuprägen, wo sich Hindernisse befanden, dann schob ich mich in den Gang hinaus und tastete mich vorsichtig an der Wand entlang in Richtung Bühne. Nach wie vor war kein Licht zu sehen. Auch als ich um eine Ecke bog und der

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