Der Kuss Des Daemons
fühlten sich auf einmal unerklärlich weich an. Ich sank auf mein Bett und starrte minutenlang einfach nur vor mich hin. In meinem Magen saß ein riesiger, bebender Knoten, der mit jeder Sekunde, die ich über das nachdachte, was in dem alten Haus geschehen war, größer wurde. Doch sosehr ich mich auch bemühte, ich bekam das Durcheinander in meinem Kopf nicht sortiert. Zudem war mir kalt. Ich sehnte mich nach einer heißen Dusche - und vielleicht würde das warme Wasser mir helfen wieder klar zu denken.
Ich räumte meine nassen Sachen in den Wäschekorb, schlüpfte aus Juliens Pullover und Jeans und verkroch mich ins Bad. Irgendwann stellte ich fest, dass ich durch die Dampfschwaden blind gegen die Kacheln starrte. Der Knoten in meinem Magen war noch immer da und mit ihm die vage Übelkeit, die mir schon die ganze Zeit die Kehle zuschnürte. Ich drehte das Wasser aus, trocknete mich ab und schlüpfte in meinen Bademantel. Mit einem dicken Handtuch um die Haare geschlungen ging ich in mein Zimmer zurück. Wie ein Schlafwandler legte ich eine CD in die Stereoanlage, dann setzte ich mich mitten auf mein Bett und umarmte mein Kissen. Am Fußende lagen Juliens Sachen. Ich starrte darauf. Starrte. Starrte. Irgendwann zog ich den Pullover zu mir heran, hielt ihn zwischen den Händen und strich über die Wolle. Immer wieder. Ella rief zum Abendessen. Ich nahm nur am Rande wahr, dass ich ihr antwortete, ich hätte keinen Hunger. Das Chaos in meinem Verstand machte schließlich einer Erkenntnis Platz: Ich war verliebt. In Julien DuCraine. Den Jungen, der mich nicht in seiner Nähe haben wollte. Auch als die Nacht mein Zimmer in Dunkelheit hüllte, saß ich noch immer auf meinem Bett und starrte vor mich hin.
Der nächste Morgen änderte nichts an meinem Zustand. Ich wachte um mein Kissen geschlungen auf, mit den verschwommenen Erinnerungen an einen Traum, in dem Julien DuCraine neben meinem Bett stand und reglos mit seltsam glimmenden Augen auf mich herabsah. Eine Ecke der Bettdecke war über mich gebreitet, der Rest unverrückbar unter mir gefangen. Mein Bademantel war bis zu meinen Knien hochgerutscht und meine Füße waren eiskalt. Ich hatte schon wieder Zahnschmerzen und noch immer diesen würgenden Knoten in meinem Magen. Mein Spiegel offenbarte tiefe Ringe unter meinen Augen. Wie mein eigener Geist tappte ich in die Küche hinunter, machte mir eine Tasse Tee und zog mich gleich wieder in mein Zimmer zurück, wo ich mich unter meiner Bettdecke verkroch. Zum Glück war Ella wie jeden Sonntagmorgen auf irgendeinem Flohmarkt auf der Suche nach diesen alten Porzellanpuppen, die sie so liebte. Ich hätte ihr nicht begegnen wollen.
Juliens Sachen lagen noch immer auf meinem Bett und erinnerten mich gnadenlos an mein Elend. Ich war in ihn verliebt. Er wollte mich nicht und ich hatte keine Ahnung, was ich dagegen tun konnte. - Wahrscheinlich hätte ich auch dann nicht gewusst, was ich tun sollte, wenn er meine Gefühle erwidert hätte, denn ich war noch nie wirklich in einen Jungen verliebt gewesen. - An meinem Tee nippend starrte ich noch eine ganze Weile auf den Pullover und die Jeans, doch schließlich stellte ich die Tasse entschieden auf meinen Nachttisch. Ich musste mir diesen Typen aus dem Kopf schlagen. Je eher, desto besser. Noch im Bademantel klaubte ich die Sachen auf und trug sie hinunter zur Waschmaschine. Ich würde die Gelegenheit nutzen, solange Ella nicht da war, um sie zu waschen, in den Trockner zu stopfen und sie ihm dann schnellstmöglich zurückgeben zu können - niemand in diesem Haus musste merken, dass ich gestern in Pullover und Jeans eines Jungen nach Hause gekommen war. Dass Neal es gesehen und sich seinen eigenen Reim darauf gemacht hatte, war schlimm genug. Wenn Onkel Samuel davon erfuhr, würde der Himmel über mir zusammenbrechen - mindestens.
Ich war gerade in mein Zimmer zurückgekehrt und dabei, mir etwas anzuziehen, als mein Handy lossummte. Susan war dran und lud mich ein vorbeizukommen, um mir die Ausbeute ihres gestrigen Shoppingtrips anzusehen. Auch wenn ich eigentlich keine Lust hatte, stundenlang mit ihr über die neuesten Trends und Klamotten zu reden, sagte ich zu - es würde mich von Julien DuCraine ablenken. Als ich bei Susan ankam, war der Tisch für das Mittagessen bereits gedeckt. Ihre Mutter hatte Pasta gemacht und natürlich war ich zum Essen eingeladen. Mike war mit Neal und Tyler zusammen losgezogen, um etwas zu »erledigen«. Was, wussten weder Susan noch ihre Mutter.
Weitere Kostenlose Bücher