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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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sah Julien wieder an. Seine quecksilbernen Augen musterten mich.
    »Du weißt nichts über mich«, wandte er schließlich elend ein.
    »Dann erzähl mir, was ich wissen muss«, schnappte ich dagegen.
    Julien senkte den Blick. Für eine winzige Sekunde sah ich Schmerz und Bedauern auf seinem Gesicht. Endlich schaute er mich wieder an. »Das kann ich nicht.«
    Langsam atmete ich ein und aus. »Hat es etwas damit zu tun, dass du der Meinung bist, es sei besser für mich, wenn ich nicht in deine Nähe komme?«
    »Ja.« Er nickte.
    »Warum?«
    Sekundenlang schien er nach einer Antwort zu suchen, bis er es aufgab und den Kopf schüttelte. »Es gibt einige Dinge, die ich dir einfach nicht sagen kann.«
    Ich ballte die Fäuste. »Und wenn ich verspreche, dir bezüglich dieser Dinge keine Fragen zu stellen?«
    Seine dunklen Brauen hoben sich. »Du willst es unbedingt, nicht wahr?«
    »Ja«, das Wort sollte entschieden klingen, aber meine Kehle war so eng, dass ich nur ein Flüstern herausbrachte. Ich streckte die Hand aus und berührte ganz leicht seine.
    »Ja«, wiederholte ich ebenso leise wie zuvor.
    Er sah mich an, ein schiefes, hilfloses, irgendwie bitteres Lächeln auf den Lippen. Ein paar Sekunden forschten seine Augen
    in
    meinen,
    dann
    murmelte
    er
    etwas
    Unverständliches und holte noch einmal tief Atem. »Ich bin nicht halb so stark, wie ich dachte, und nicht einen Bruchteil so ehrenhaft, wie ich gehofft hatte«, sagte er nach einem letzten Zögern und nahm meine Hand in seine. Auch wenn ich nicht verstand, was er meinte: Ich würde keine Fragen stellen. »Ich werde dir nicht wehtun, wenn ich es irgendwie vermeiden kann«, versprach er mir dann seltsam feierlich.
    Einen Moment starrte ich auf unsere Hände. »Bedeutet das, wir sind zusammen?«, brachte ich nach einigen weiteren Sekunden hervor.
    Sein Lächeln veränderte sich. »Ja, das bedeutet es.«
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, als würde er mit diesen wenigen Worten die ganze Welt herausfordern. Mein Herz schlug Purzelbäume und irgendwie war ein riesiger Schwarm Schmetterlinge in meinen Bauch gekommen, die wie wild flatterten. Den Kopf leicht geneigt musterte Julien mich einen Moment, dann beugte er sich vor und küsste mich zum zweiten Mal. Er tat es seltsam angespannt, als sei er bereit, von einer Sekunde auf die nächste zurückzuweichen und Abstand zwischen uns zu bringen, wie er es schon so oft getan hatte.
    Ein äußerst nachdrückliches Räuspern von der Tür her ließ uns einen Augenblick später auseinanderfahren. Mr Arrons stand dort, ein Bild der Empörung über die Sittenlosigkeiten, die an seiner Schule vor sich gingen, während seine Computerklasse sich hinter ihm die Hälse verrenkte. Das Blut schoss mir in die Wangen. Julien stieß
    etwas aus, was ebenso ein Fauchen wie ein Fluch sein konnte. Mit einer verächtlichen Geste legte Mr Arrons die Hand auf den Schalter der Jalousie und fuhr sie in die Höhe. Dabei sah er uns an , als hätten wir sie heruntergelassen, um uns vor neugierigen Blicken zu verstecken. Das Licht der Sonne fiel nach dem angenehmen Halbdunkel schmerzhaft grell zwischen den Lamellen hindurch und Julien klaubte seine Brille vom Tisch und setzte sie hastig auf.
    »Ich denke, Sie beide haben jetzt auch Unterricht.« Mr Arrons klang hochgradig verschnupft.
    »Ja, Sir.« Julien nahm meine Hand und zog mich an Arrons und seiner Klasse vorbei.
    Doch an der Tür hielt der uns auf. »Mr DuCraine, Ms Warden, ich erwarte Sie beide nach dieser Stunde in meinem Büro.« Lieber Himmel, Mr Arrons benahm sich, als hätte er uns bei einer wilden Orgie erwischt und nicht bei einem einzigen Kuss. Mit einem »Ja, Sir«, das fast schon beleidigend klang, schob Julien sich zwischen ihm und dem Türrahmen hindurch, ohne mich unter dem missbilligenden Blick unseres Schulleiters loszulassen. Erst als wir um die nächste Ecke gebogen waren, verlangsamte er seine Schritte.
    »Scheint so, als würden wir Ärger bekommen«, grollte er und warf mir einen schnellen Blick zu.
    »Scheint so«, bestätigte ich und grinste. Ich war mit Julien DuCraine zusammen! Das war allen Ärger der Welt wert. Sogar den, den ich vermutlich mit Onkel Samuel bekam, wenn er davon erfuhr. Nachdem er es nicht duldete, dass ich Freunde mit nach Hause brachte, wollte ich mir gar nicht vorstellen, was er dazu sagte, dass ich einen Freund hatte. Allerdings: Onkel Samuel war gewöhnlich weit, weit weg. - Im Augenblick war ich einfach nur glücklich. Julien hielt meine Hand in

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