Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
Vom Netzwerk:
vielleicht keine gute Idee ist, ausgerechnet hier ...«, er gestikulierte zur Tür des Lehrerzimmers einige Meter den Gang hinunter.
    Er hatte recht. Einmal am Tag von einem Lehrer bei einem Kuss unterbrochen zu werden, war genug. Auch wenn ich dieses Risiko für einen weiteren Kuss gerne in Kauf genommen hätte.
    »Was hättest du jetzt eigentlich?« Julien warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr.
    »Mathe.« Schaudernd verzog ich das Gesicht. »Und du?«
    »Chemie. - Wobei ich darüber nachdenke, ob ich nicht eine
    Spontanallergie
    gegen
    Chemiesäle
    entwickle.
    Zumindest für einige Zeit.«
    Ich nickte mit einem kleinen Grinsen. »Ich verstehe. Ein Trauma oder so etwas.« Doch dann löste ich mich von der Wand und sah ernst zu ihm auf. »Ich bin so froh, dass es deinen Augen wieder gut geht. Als sie gestern so entsetzlich rot waren, habe ich mir wirklich Sorgen gemacht. Es ist ein Wunder, dass gar nichts mehr zu sehen ist.«
    Er fing meine Hand auf halbem Wege zu seinem Gesicht ab, »Danke, dass du niemandem etwas von meinem ... Problem gesagt hast. - Beabsichtigst du noch in Mathe zu gehen oder leistest du mir beim Schwänzen Gesellschaft?«
    »Willst du von Anfang an deinen schlechten Einfluss auf mich unter Beweis stellen?«
    »Vielleicht. - Und? Wie ist es?« Die ganze Zeit hatte er mein Handgelenk festgehalten, jetzt änderte er seinen Griff, bis er meine Hand in seiner hielt.
    »Und was schwebt dir anstelle von Mathe - oder Chemie - vor?«
    Eine Sekunde musterte er mich. »Kannst du Schach spielen?«, erkundigte er sich dann.
    »Natürlich.« Ich setzte meine selbstgefälligste Miene auf. Simon hatte es mir beigebracht und wir spielten noch immer recht oft. Gelegentlich gewann ich sogar.
    »Sehr gut! Dann muss ich in den Mittagspausen endlich nicht mehr gegen mich selbst spielen.« Julien klang so zufrieden mit sich, als wären meine Schachkenntnisse sein Verdienst.
    Meine Hand fest in seiner und dennoch nicht ganz so eng nebeneinander wie noch eine Stunde zuvor gingen wir in die Bibliothek, darum bemüht, keinem der Lehrer zu begegnen. Im zweiten Leseraum, dem kleineren der beiden, gab es Schachbretter. Eigentlich gehörten sie dem Schachklub der Schule, aber ein paar standen immer offen auf einem Regal. Wir suchten uns einen Tisch in einer ruhigen, schattigen Ecke - wofür ich dankbar war, da sich nach dem Sonnenbad in Mr Arrons Büro meine
    Sonnenallergie mit einem leichten Jucken bemerkbar machte - und Julien stellte die Figuren auf. Er überließ mir Weiß und damit den ersten Zug.
    Julien spielte unendlich viel besser als Simon. So viel war mir schon nach den Eröffnungszügen klar. Unser erstes Spiel dauerte nicht einmal zehn Minuten, dann hatte er mich matt. Ich war keine Herausforderung für ihn. Beim zweiten spielte er sehr viel weniger aggressiv als zuvor und schlug mir sogar mehrfach vor, einen Zug zu überdenken. Dennoch gewann er erneut.
    Dass er im dritten Spiel erstaunlich viele Fehler machte und ich es schließlich sogar gewann, machte mich misstrauisch. Als ich ihm vorwarf, mit Absicht verloren zu haben, lachte er und erklärte mir, es sei seine bevorzugte Taktik, einen Gegner in Sicherheit zu wiegen und dann unvermutet zuzuschlagen. - Als ob ich ein ernst zu nehmender Gegner für ihn wäre.
    Doch beim nächsten Spiel entwickelte ich meine eigene Taktik. Julien hatte die Brille abgenommen, und wenn ich ihm nur tief genug in die Augen sah, vergaß er manchmal glatt, welchen Zug er gerade hatte machen wollen. Dann schwebte seine Hand über dem Schachbrett und sein Blick hing wie gebannt in meinem. - Allerdings funktionierte das Ganze auch andersherum und ich war von dem
    Quecksilber seiner Augen gefangen. - Ich hätte niemals vermutet, dass man sich nur mit Blicken küssen konnte. Er gewann auch dieses Spiel.
    Wir redeten nicht viel. Wenn, waren es kurze Kommentare zu einem Zug oder Julien zog mich spöttisch auf und ich hielt boshaft dagegen. Mehr als einmal endete ein solcher verbaler Schlagabtausch mit abfälligem Schnauben oder Prusten und Gelächter. Doch die meiste Zeit herrschte einfach nur angenehmes, friedvolles Schweigen zwischen uns, während unsere Hände auf der einen Seite des Schachbretts ineinander verschlungen waren. Ich konnte mich nicht daran erinnern, mich in der Gesellschaft eines anderen jemals so wohlgefühlt zu haben. Dass die Klingel das Ende meiner Mathe-und seiner Chemiestunde verkündete, hörte Julien ebenso wenig wie ich. Wir verspielten die Mittagspause -

Weitere Kostenlose Bücher