Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)
fair! Ich kann keinen Mann lieben, der dabei ist, sich in einen Dämon zu verwandeln! Du kannst das nicht von mir verlangen! Gibt es denn keinen Weg, das alles rückgängig zu machen?«
Die hoffnungslose Trauer in seinem Blick brannte sich in ihr Herz. »Nein, dazu müsste ich meine Tat bereuen, nicht nur ihre Folgen. Und selbst dann …«
»Sophie?«, drang Madame Guimards Stimme von fern an ihr Ohr. »Bist du schon zu Hause?«
Sie entriss ihm ihre Hand, als hätte sie sich gestochen, und eilte zur Tür. »Ja, einen Moment!«, rief sie. Ihre vom Weinen heisere Stimme klang krächzend. Was sollte sie nun mit Rafe machen? Ihn im Schrank verstecken? Doch als sie sich umdrehte, war er verschwunden.
W as genau suchen wir eigentlich?« Alex sah gereizt vom Laptop auf. »Hast du eine Ahnung, wie viele Treffer das hebräische Wort kezef produziert, wenn man keine einschränkenden Zusätze eingibt?«
»Versuch’s mit Dämon oder Engel«, riet Jean, ohne von dem Buch aufzublicken, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Oder mit Sammael. Ich muss wissen, ob es irgendeine bekannte Verbindung zwischen den beiden gibt.«
»Ist denn sicher, dass kezef der Name des Dämons ist? Er könnte doch auch nur mitgeteilt haben, dass er ziemlich wütend war, oder?«
Jean schnaubte unwillig. Mit letzter Konsequenz ließ sich im Umgang mit Dämonen gar nichts ausschließen, aber an irgendetwas musste er sich halten, sonst würden sie nie weiterkommen. »Gaillard hat ihn nach seinem Namen gefragt, nicht, wie’s ihm geht.«
»Ah, das wäre aber mal die nette Variante. ›Salut, mein satanischer Freund! Wie geht’s?‹ Hast du schon mal ausprobiert, ob sie dann gesprächiger sind? Vielleicht lassen sie die Leute dann auch weniger Nägel speien und Rasierklingen aus …«
»Alex, halt die Klappe und hilf mir, oder ich schwöre, den nächsten Dämon hetz ich auf dich!«
»Oui, chef«, erwiderte sein Freund übertrieben zackig. »Ich dachte ja nur, du könntest ein bisschen Aufmunterung brauchen.«
»Es würde mich am meisten aufmuntern, wenn ich endlich wüsste, was eigentlich vorgeht.«
»Ja, schon gut. Die Botschaft ist angekommen.«
Halb erwartete Jean, dass Alex weiterplappern würde, doch von gelegentlichem Klicken und dem leisen Schaben eines Fingers über das Touchpad abgesehen, blieb es vorerst still. Er wandte sich wieder dem Text zu, einem Werk, das verschiedene überlieferte Varianten des Buches Henoch nebeneinanderstellte und verglich. Es war ein Fischen im Trüben. Er brauchte Alex nicht, um das zu wissen. Was die Absichten des Dämons anging, war der Exorzismus enttäuschend ergebnislos verlaufen. Dass es um jene Wächter ging, die sich einst mit Menschenfrauen auf der Erde niedergelassen hatten, war seit dem Vorfall mit dem Toten in der Rue des Barres keine neue Erkenntnis. Dass nun Sammael namentlich genannt worden war, bestärkte den Verdacht, brachte ihn aber nicht weiter. Jean hatte den Eindruck, ein mächtigerer Dämon habe eingegriffen und verhindert, dass sie diesem Kezef mehr Antworten abringen konnten – sogar um den Preis, Lilyth zu töten.
Hoffentlich ging es dem Mädchen gut. Weniger, was die neuen Schnitte anbelangte, die sofort medizinisch versorgt worden waren, sondern was ihren psychischen Zustand anging. Er bedauerte nicht, sie zu diesem Exorzismus überredet zu haben. Der Dämon war in ihr, und es war alles andere als sicher, dass sie ihn bereits ausgetrieben hatten. Sehr viel wahrscheinlicher war, dass Lilyth lediglich eine Atempause erhielt. Aber musste es ausgerechnet bei ihr so heftig verlaufen? Auch das sprach dafür, dass mehr hinter dem Geschehen steckte.
Was er am wenigsten verstand, war das Theater, das Lilyth veranstaltet hatte, als die Ärzte sie von ihm getrennt hatten. Sah sie in ihm jetzt einen Helden, weil er sein Blut für sie vergossen hatte? Das war doch vollkommen abwegig. Schließlich war er es gewesen, der sie zu diesem erschreckenden Erlebnis überredet hatte. Wer versteht schon die Frauen?
»Tut mir leid, Jean«, ließ sich Alex wieder vernehmen. »Wie du sagtest: Jüdische Überlieferungen nennen Kezef als Todesengel. Mehr finde ich hier auch nicht. Allerdings kann ich kein Hebräisch, und da gäb’s noch ein paar Seiten.«
»Kannst du sie mir speichern und kopieren? Ich seh’s mir dann später an.«
»Wird erledigt. Zum Glück hat es ja nur deine linke Hand erwischt, sonst müsste ich jetzt auch noch für dich Kaffee kochen, umblättern und die Tür hinter dir
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