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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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schrie auf, stemmte im gleichen Augenblick die Füße in den Boden, da sich das Tor vor ihnen auftat. Die Flügel sprangen auseinander, als gäbe es kein Schloss, keinen Riegel.
    Rafe schob sie durch den Spalt hinaus. »Lauf! Ich lenke sie ab.«

D   er Engel des Herrn tat in der Nacht die Türen des Gefängnisses auf.«  
    Apostelgeschichte, Kapitel 5, Vers 19, notierte Sophie und starrte dann nachdenklich auf den Bildschirm, ohne ihn wahrzunehmen. Sie hatte einen Schwung Bewerbungen über das Internet verschickt, wie von den betreffenden Firmen gewünscht, und hatte anschließend nicht widerstehen können, einige Suchmaschinen mit dem Begriff »Engel« zu füttern. Die Zahl der Treffer hatte sie schier erschlagen. Es war ihr ein Rätsel gewesen, wie sie in diesem Datenwust jemals eine sinnvolle Information finden sollte – falls es so etwas wie Fakten über Engel überhaupt gab. Mühsam hatte sie sich durchgebissen, gefühlte tausend Esoterikseiten zu den Engeln als hilfreiche Feen des Alltags weggeklickt, und fast genauso viele Forenbeiträge von Menschen, denen angeblich Engel erschienen waren und die nahende Apokalypse oder die Geheimnisse des Universums verkündet hatten.
    Nur wenige Seiten widmeten sich der sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema, doch mittlerweile war Sophie zu erschöpft, um sich auf anspruchsvolle Texte zu konzentrieren. Vielleicht sollte ich einfach Jean fragen. Sie war sicher, dass er ihr nur zu gern alles erzählen würde, was er über Engel wusste, und einen Stapel theologischer Schriften bekäme sie vermutlich gratis dazu. Aber damit würde sie zugeben, dass er recht hatte.
    Sie musste sich eingestehen, dass es ihr bei Tag, in einem Internetcafé vor einem Rechner sitzend, wieder sehr viel leichter fiel, alles für Unsinn zu halten, was ihr in der Nacht so einleuchtend erschienen war. Rafe hatte einfach nur romantisch sein wollen, und den Rest musste sie sich eingebildet haben. Nur das Tor irritierte sie. Sie hatte deutlich gesehen, dass es aufgesprungen war, einfach so, noch bevor Rafe es berührt hatte. Konnte es dafür eine rationale Erklärung geben? Natürlich war es möglich, dass jemand das Tor nachlässig geschlossen hatte, sodass es beim geringsten Anlass aufgegangen war. Aber das wäre erneut ein gewaltiger Zufall, und in ihren gesamten Theorien, die sie sich rund um Rafe zurechtgelegt hatte, wimmelte es bereits dermaßen von Zufällen, dass daran allmählich schwerer zu glauben war als an alle religiösen Dogmen von Jungfrauengeburt und Wiederauferstehung zusammen.
    So ging es nicht weiter. Sie konnte Rafe nicht wieder treffen – vorausgesetzt, dass er das nach diesem Desaster noch wollte –, solange sie nicht wusste, was sie von all dem halten sollte. Er benahm sich manchmal sehr merkwürdig, daran gab es keinen Zweifel. Die Umstände seiner Wiederkehr in ihr Leben waren mehr als mysteriös, und er verschwieg ihr hartnäckig, was wirklich vor sich ging. Das hatte er selbst zugegeben.
    Wenn sie ehrlich war, beunruhigte sie auch die mythische Geschichte über dieses Liebespaar im Brunnen. Dass sich Rafe mit dem getöteten Akis verglichen hatte, der in verwandelter Form zu seiner Geliebten zurückgekehrt war, bereitete ihr jetzt noch eine Gänsehaut. War das nicht ein Geständnis? Ein kaum verhohlener Hinweis darauf, dass er gestorben und als etwas anderes zurückgekommen war? Aber warum sagte er ihr das dann nicht einfach?
    Ja, klar, er stellt sich hin und eröffnet mir, dass er ein Engel ist. Ein gefallener Engel, wohlgemerkt. Er konnte sich leicht ausrechnen, dass sie ebenso schreiend vor ihm davonlaufen würde wie vor Jean, als er davon angefangen hatte.
    Abgesehen davon … Wenn er eine Art Dämon war, der ihr nach Jeans Ansicht übelwollte, warum sollte er sie darauf hinweisen?
    Ihr Bedürfnis, mit jemandem über diese Dinge zu sprechen, wuchs mit jeder Minute. Sollte sie sich vielleicht doch bei Jean entschuldigen und versuchen, sich vorurteilsfrei anzuhören, was er zu sagen hatte? Wenn es ihr nicht dabei half, aus der Geschichte schlau zu werden, konnte sie ihn immer noch zum Teufel jagen. Ausgerechnet zum Teufel! Schmunzelnd packte sie ihre Sachen zusammen und verließ das Café, doch auf der Straße sank ihr Mut wieder. Konnte sie ihn einfach anrufen und um ein Treffen bitten, nachdem sie ihm solche Beleidigungen an den Kopf geworfen hatte? Wohl kaum. Eine Entschuldigung war fällig, aber am Telefon kam ihr das zu billig, zu unpersönlich vor. Sie

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