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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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mochte es nicht, wenn jemand bei ihr anrief, um sie um Verzeihung zu bitten. Ohne die Augen ihres Gegenübers zu sehen, hinterließ es bei ihr immer ein schales Gefühl. Wie sollte sie so wissen, ob es aufrichtig gemeint war?
    Sie beschloss, zum nahe gelegenen Place de la Contrescarpe zu gehen. Es war ohnehin Zeit fürs Abendessen, sie schuldete Marie noch etwas, und vielleicht traf sie dort zufällig auch Jean. Er schien immerhin Stammgast zu sein. Der Plan gefiel ihr, obgleich ein Teil von ihr spöttisch anmerkte, dass sie damit nur vor sich herschob, was ihr unangenehm war.
    Ihre Uhr zeigte schon fast halb acht, was das Loch in ihrem Bauch erklärte. Wie es die Franzosen aushielten, so spät zu essen, blieb ihr auch nach über zwei Wochen in Paris ein Rätsel. Essen. War das nicht etwas, das gegen die Theorie sprach, Rafe sei ein überirdisches Wesen? Sie hatte gesehen, wie er Nahrung zu sich genommen hatte, und ein Engel brauchte doch sicher keine Kalorien. Aber er könnte sich auch gleich ein Schild mit der Aufschrift »Monster« umhängen, wenn er nichts essen würde. Solange sie davon ausgehen musste, dass er den Anschein von Normalität wahren wollte, brachten sie solche Überlegungen nicht weiter. Sinnvoller war, sich auf das Ungewöhnliche und Auffällige zu konzentrieren. Doch wo sollte sie angesichts seiner Vorgeschichte und seiner überwältigenden Wirkung auf sie damit anfangen?
    Als sie beim Le Breton ankam, waren die meisten Plätze noch leer. Marie verteilte gerade neue Windlichter auf den Tischen und lächelte, als sie sie sah. »Salut, Sophie!«
    »Salut, Marie, wie geht’s?«
    »Danke, gut. Heute ganz allein, oder kommt dieses unglaubliche Phänomen noch, mit dem du neulich hier warst? Und damit meine ich nicht Jean – obwohl der auch ein Phänomen ist.«
    Sophie erwiderte ihr Grinsen. »Nein, ich fürchte, heute bin’s nur ich. Aber dafür umso hungriger!«
    »Sehr gut«, lachte Marie. »Setz dich doch her!« Sie deutete auf einen Tisch für zwei, da es keine kleineren gab. »Weißt du schon, was du trinkst?«
    »Ja, Orangina, bitte.« Sophie nahm Platz und nahm die Karte entgegen, doch trotz ihres Appetits las sie sie nicht sehr aufmerksam. »Sag mal«, begann sie, als Marie mit einem Glas und einer kleinen Flasche zurückkam, »wie hast du das gemeint, dass … dass Jean ein Phänomen ist? Ich werde irgendwie nicht schlau aus ihm.«
    »Warte mal, ich geb meinem Mann nur rasch deine Bestellung, sonst heißt es morgen, mir verhungern die Gäste am Tisch.«
    »Gute Idee«, gab Sophie zu. Der Geruch aus der Küche hatte das Loch in ihrem Magen schon erheblich vergrößert, und Fakten über Jean würden es nicht stopfen. Sie wählte einen Pfannkuchen mit gebratenen Putenbruststreifen und Salat.
    »Soll ich ehrlich sein?«, fragte Marie mit schelmischem Blick, als sie sich zu Sophie an den Tisch gesetzt hatte. »Aus Jean wird niemand schlau. Ich jedenfalls auch nicht. Nicht mal die Gendarmerie, wenn man Tiévant glauben darf.«
    Sophie ignorierte, dass sie nicht wusste, wer dieser Tiévant war. Bemerkenswerter schien ihr, dass Jean demnach wirklich nicht für die Polizei oder die Justiz arbeitete. »Hat er Ärger mit dem Gesetz?«
    »Was man so hört, wurde er schon ein paar Mal verhaftet, aber ich weiß nicht …« Marie zuckte die Achseln. »Uns hat er hier schon öfter geholfen. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Klar, er läuft ein bisschen seltsam herum, immer dunkel gekleidet, sogar im Sommer immer den Mantel dabei. Aber wer hat schon keine Macke? Ich pfleg meine ja auch«, lachte sie.
    »Ja, er … ist sehr hilfsbereit. Das habe ich auch schon gemerkt. Ich dachte erst, er sei ein Flic oder so etwas.«
    »Jean? Nein. Dann hätten sie ihn wohl nicht so auf’m Kieker. Aber vielleicht wäre er ein guter Flic geworden. Wir Gastwirte mögen ihn, weil er ein Händchen dafür hat, Besoffene zu besänftigen. Hat uns schon einige Randale erspart.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, das kann er richtig gut. Du, entschuldige, da sind neue Gäste gekommen.« Marie stand rasch auf, um die Familie zu bedienen, die sich an einem großen Tisch niederließ.
    »Schon gut«, rief Sophie ihr nach, verwirrter als zuvor.

    Das ist total dämlich. Ruf ihn an und frag! Doch je länger sie zögerte, desto größer wurden ihre Hemmungen. Marie hatte nichts Interessantes mehr über Jean zu erzählen gehabt und kannte auch seine Adresse nicht. Rückwirkend betrachtet schien sie auch nicht mehr über ihn zu

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