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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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ihnen eine Chance gegeben«, sagte sie. »Und es ist mir schnurz, Baby.« Sie erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder.
    Rune erhob sich auf ein Knie. Zu viele Wesen luden zu viele Waffen durch. Sie senkte den Blick, und er nickte ihr zu. Er schenkte ihr ein kleines, intimes Lächeln. Es war so wunderschön und viel zu kurz. Dann legte sie eine Hand auf Runes unverletzte Schulter und begann den Spruch zu murmeln, der Feuer vom Himmel regnen lassen würde. Sie ließ all ihre magische Energie in diese Beschwörung fließen.
    In diesem Moment kehrte der Zyklon zurück.
    Er donnerte mit solcher Gewalt über das offene Gelände, dass die Erde erbebte. In einem Umkreis von achthundert Metern erzitterten die Gebäude. Bei den Nachrichtensendern würde es später heißen, die Stoßwelle des Erdbebens sei noch fünfhundert Kilometer entfernt zu spüren gewesen. Viele der Nachtwesen schrien vor Angst auf und ließen sich zu Boden fallen, um ihre Köpfe zu bedecken.
    Rune stand auf und legte den unversehrten Arm um Carling, als vor ihnen ein Dschinn-Prinz Gestalt annahm. In Khalils seltsamen Diamantaugen und dem eleganten, unmenschlichen Gesicht lag ein grimmiges Lächeln.
    »Jetzt bist du diejenige, die mir einen Gefallen schuldig ist«, sagte der Dschinn zu der Vampyrzauberin.
    Schnaufend ließ sie all ihre aufgestaute magische Energie entweichen. »Ja«, sagte sie.
    »Wohin?«
    »Zum Orakel in Louisville«, sagte sie schnell.
    Über den freien Platz hinweg brüllte Julian seine Befehle. Seine Nachtwesen-Streitkräfte eröffneten das Feuer. Aber keine der Kugeln traf ihr Ziel. Der Zyklon hüllte Rune und Carling ein und trug sie davon.
    Der Trip war das Seltsamste und Chaotischste, was Carling je erlebt hatte. Sie drehte sich um und schlang die Arme um Rune, um ihn festzuhalten, während heulender Wind sie umgab. Im Zentrum des Zyklons drückte Khalil sie an seine hagere, feste Brust. Dann materialisierte sich die Welt um sie herum in Form einer heißen, feuchten Nacht im mittleren Westen.
    Sobald Runes und Carlings Füße den Boden berührten, ließ Khalil sie los. Carling lockerte nur langsam die Arme, mit denen sie Runes Taille fest umschlungen hielt, und stellte fest, dass sein gesunder Arm sie ebenso wenig loslassen wollte. Der Dschinn war nicht verschwunden wie bei den letzten Malen, sondern stand neben ihnen und beobachtete die Szenerie genauso neugierig wie sie.
    Sie waren nicht direkt in der Innenstadt von Louisville, sondern etwas außerhalb. In der dunklen, ruhigen Nacht, die vom schattigen Grün der Bäume und Gräser bevölkert war, erfüllten die Geräusche der Grillen und Zikaden die Luft. Die Gegend war mit dem gelben Leuchten von Hunderten Glühwürmchen überzogen. Die Landschaft schien von einer sehr alten magischen Energie durchtränkt zu sein.
    Sie standen auf einer langen Kiesauffahrt, die zu einem alten, weitläufigen, zweigeschossigen Bauernhaus führte. Sie mussten San Francisco kurz nach Mitternacht verlassen haben, und das bedeutete, dass es in Kentucky nach drei Uhr morgens war. Im Haus brannte Licht. Sie konnten deutlich ein Baby weinen hören. Der Geruch eines nahegelegenen Flusses lag in der Luft, und Carling vernahm das kühle, kraftvolle Rauschen des Wassers.
    »Ist das der Ohio?«, fragte sie Khalil.
    »Ja«, sagte er. Der Dschinn hatte die Hände in die Hüften gestützt. Mit zur Seite geneigtem Kopf betrachtete er das Haus.
    Obwohl die dunkle Nacht hier draußen nur von den Sternen und einigen verstreuten elektrischen Lichtern in der Ferne erhellt wurde, war Carlings Blick scharf genug, um den Schmerz auf Runes Gesicht sehen zu können. Er hielt sich den Arm. »Wir müssen dich hineinbringen«, sagte sie und ging die Eingangsstufen zum Bauernhaus hinauf, die auf eine breite, überdachte Veranda führten. Rune und Khalil folgten ihr. Eine bewegungsempfindliche Verandabeleuchtung schaltete sich ein, als sie sich dem Haus näherten. Carling klopfte an die Tür.
    Leichte, schnelle Schritte näherten sich, dann wurde die Tür aufgerissen. Dahinter stand eine magere, junge Frau mit einem Baby auf dem Arm. Die Frau war dreiundzwanzig oder vierundzwanzig Jahre alt, ihre Gesichtszüge waren eher interessant als schön, und sie hatte kurze, schwer zu bändigende, rotblonde Haare. Sie war zerzaust und hohläugig und trug abgetragene, karierte Flanellhosen und ein übergroßes graues T-Shirt.
    Das Baby war ein Junge und etwa neun Monate alt. Er sah ebenso zerzaust und hohläugig aus wie die Frau, sein

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