Der Kuss des Greifen (German Edition)
getreten. »Und in welche Gefahr haben Sie meine Nichte und meinen Neffen gebracht?«
Bei diesen Worten rührte sich Khalil. Der Dschinn hatte sich in eine Ecke des Zimmers zurückgezogen, um alles mit verschränkten Armen zu beobachten. Seine langen, rabenschwarzen Haare trug er streng aus dem Gesicht gekämmt, und er hatte eine hochgeschlossene schwarze Tunika und eine ebenfalls schwarze Hose an. Zu Grace sagte er: »Ich kann nicht dafür sprechen, was die anderen vielleicht hierhergeführt hat, aber ich werde persönlich dafür sorgen, dass die Kleinen nicht in Gefahr sind. Sie haben mein Wort.«
Carling sah Khalil mit zusammengekniffenen Augen an. Deshalb war er geblieben, anstatt sofort wieder davonzustürmen, nachdem er sie und Rune vor der Tür des Orakels abgesetzt hatte. Er hatte das Baby schreien gehört. Oh Khalil.
Grace warf Khalil einen misstrauischen Blick zu. »Soll mir das etwas sagen? Sollen mich Ihre Worte irgendwie beruhigen? Das tun sie nämlich nicht. Ich bin vielleicht neu in dieser Orakel-Nummer, und ich habe bestimmt noch eine Menge zu lernen, aber immerhin habe ich kapiert, dass Sie ein Dschinn sind, was an und für sich nicht im Mindesten beruhigend ist. Und ich weiß immer noch nicht, wer zum Teufel Sie sind.«
»Khalil ist einer der ältesten und stärksten Dämonen, und wenn er verspricht, dass Ihre Kinder bei ihm in Sicherheit sind, dann sind sie das auch«, sagte Carling.
»Sie wollen mir sagen, dass meine Kinder jetzt einen Dämonen-Bodyguard haben?«, grummelte Grace. »Und Sie wollen mir sagen, dass meine Kinder vielleicht einen Dämonen-Bodyguard brauchen werden? Das ist ja verdammt großartig. Das sind die besten Neuigkeiten, die ich in der ganzen letzten Woche gehört habe. Ach was, im ganzen letzten Monat.«
Khalil hob eine Braue. Ansonsten sah er aus, als wäre ihm die Meinung der Menschenfrau äußerst egal.
Rune sagte: »Niemand wird Ihre Kinder absichtlich gefährden. Ganz gleich, in welchen Konflikten wir stecken, Kinder sind für uns etwas Kostbares. Wir würden sie nie in Gefahr bringen.«
»Ich habe ein Problem mit dem ›absichtlich‹ in Ihrer Aussage«, sagte Grace. »Also entschuldigen Sie bitte, wenn ich noch immer nicht beruhigt bin. Warum sind Sie hier?«
»Wir müssen natürlich das Orakel befragen«, sagte Carling.
Danach gab es für Grace kein Halten mehr. Sie kramte ein Notizbuch hervor, um den Rufbereitschaftsdienstplan mit den Telefonnummern der örtlichen Hexengemeinschaft einzusehen. Carling wusste, dass die Hexen das Orakel unterstützten, wenn es in seiner amtlichen Funktion tätig war. Das gehörte zu dem Beitrag, den die Hexen zur gemeinnützigen Arbeit leisteten. Offensichtlich jedoch wurde diese Hilfe nicht gerade begeistert angeboten.
»Ich weiß, dass es noch nicht einmal fünf Uhr morgens ist, Janice«, sagte Grace. »Aber es ist ein Notfall, du bist die Nächste auf dem Dienstplan, und du weißt, dass ich jemanden brauche, der bei den Kindern bleibt, während ich das tun muss.«
Die mürrische Hexe am anderen Ende der Leitung versprach, sofort vorbeizukommen, und Grace legte auf. »Wir können es tun, sobald Janice hier ist, also etwa in fünfzehn bis zwanzig Minuten.«
»Wir hätten bis morgen warten können«, sagte Rune.
Grace schüttelte den Kopf. »Die Asylregelungen, die diesen Ort schützen sollen, gelten nur für gesetzestreue Wesen. Wie viele Waffen tragen Sie am Körper? Nach den beiden Pistolen und dem Schwert auf Ihrem Rücken habe ich aufgehört zu zählen. Je schneller wir es tun, desto schneller brechen Sie wieder auf und nehmen Ihren Ärger mit, und das heißt, umso sicherer sind wir. Janice ist sauer, weil ich sie aus dem Bett geholt habe. Sie wird es verkraften.«
Khalil machte ein finsteres Gesicht. »Ich hätte mich auf das Kind setzen können.«
»Zu dem Kind setzen«, murmelte Carling, während sie gegen den plötzlichen Drang zu lachen ankämpfte. »Zu dem Kind, nicht darauf.« Sie stellte ihre beiden Taschen vor Runes Füßen ab und schob die Spielzeuge und ein Analysis-Buch vom College zur Seite, um sich auf die Seite der Couch zu setzen, die Runes Sessel am nächsten war.
Die anderen ignorierten sie. Grace sagte zu dem Dschinn: »Haben Sie eine Referenzliste für all die Male, die sie auf sehr kleine, zerbrechliche Menschenkinder aufgepasst haben?« Einen Herzschlag lang wartete sie ab. Khalils Miene wurde noch finsterer, aber er schwieg. Sie fuhr fort: »Nein, das dachte ich mir. Die beiden waren zwar
Weitere Kostenlose Bücher