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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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muss nachdenken, und ich brauche etwas Luft«, teilte ihr Rune mit. »Schaffst du es, bei Carling zu bleiben, bis ich zurückkomme?«
    Rhoswen wischte sich über die Wange. »Natürlich.«
    Er hielt inne. Das Gesicht der Vampyrin war tränenüberströmt. Er unterdrückte den Impuls, in die Nacht hinauszustürmen und davonzufliegen. Widerwillig fragte er: »Alles okay bei dir?«
    Ein kleiner Funke leuchtete in ihren matten Augen auf. Sie nickte. »Es tut mir leid wegen vorhin«, sagte sie. »Es wird nicht wieder vorkommen.«
    »Soweit ich das beurteilen kann, schlägst du alle anderen um Längen.« Vielsagend sah sich Rune in der leeren Küche um.
    Rhoswen kicherte leise. »Fairerweise muss ich sagen, dass manche von ihnen hier wären, wenn sie könnten.«
    »Wie Duncan?«
    Sie nickte.
    Als ihm ein anderer Gedanke kam, runzelte er die Stirn. Auf der Insel gab es keine Menschen, und es gab auch kein Kühlsystem. »Wovon ernährst du dich hier?«
    »Wir haben große Vorräte an Blutwein. Ich komme noch einige Wochen ohne frisches Blut aus.«
    Blutwein war genau das, wonach es klang: Blut, das mit Wein vermischt in Flaschen abgefüllt wurde. Rune wusste nicht genau, wie es hergestellt wurde, er wusste nur, dass einfache Alchemie zum Einsatz kam und Wein mit hohem Alkoholgehalt nötig war.
    Blutwein reifte nicht mit der Zeit, wie es bei manchen anderen Weinen der Fall war. Er war bestenfalls zwei Jahre haltbar und nicht so nahrhaft wie normales Blut, aber ein Vampyr konnte sich mehrere Monate davon ernähren. In mageren Zeiten konnte Blutwein zudem als Ergänzung zu frischem Blut getrunken werden. Dieser Erfindung aus der Mitte des elften Jahrhunderts schrieb man es zu, dass die europäischen Vampyre im vierzehnten Jahrhundert die Pest überleben konnten, an der bis zu sechzig Prozent der menschlichen Bevölkerung zugrunde gegangen waren.
    Die Falten auf Runes Stirn vertieften sich. Als Sukkubus konnte sich Carling von den Gefühlen lebender Wesen ernähren, doch auf der Insel waren Rhoswen und Rasputin ihre einzige Gesellschaft.
    »Was ist mit Carling?«, fragte Rune.
    Rhoswens Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe versucht, sie von einer Rückkehr nach San Francisco zu überzeugen, aber sie rührt sich nicht vom Fleck.«
    »Du meinst, sie hungert?«, knurrte Rune. Kurz und heiß loderte sein Zorn auf, begierig, das Gewicht dieser merkwürdig erdrückenden Traurigkeit niederzubrennen.
    »Wir waren bisher nur ein paar Tage allein, und seit deiner Ankunft sieht sie viel besser aus«, sagte Rhoswen. Rasputin beendete seine Mahlzeit, und Rhoswen wollte den Hund auf den Arm nehmen. Er versuchte, vor ihr davonzulaufen, doch sie war zu schnell für ihn. Misstrauisch beäugte er sie, während er mit den Beinen in der Luft ruderte. Sie erklärte dem Hund: »Du bist ein verrücktes kleines Vieh.«
    Beinahe wäre Rune zu Carling zurückgegangen, um sie zur Rede zu stellen. Doch dann würde er sich garantiert auch ihrem neugierigen Blick stellen müssen. Als er hier angekommen war, hatte sich Carling schon aufgegeben, aber das war Vergangenheit. Sollte sie erneut resignieren, würde er ihr einen kräftigen Tritt in den Hintern verpassen. Einen, der wehtat.
    Außerdem wollte er noch nicht mit ihr sprechen. Über zu vieles musste er vorher nachdenken, und er wusste einfach nicht, was er sagen konnte oder sollte.
    »Ich werde eine Runde fliegen«, sagte er. »Vielleicht bekomme ich so einen klaren Kopf. Ich bin bald wieder da.«
    »Okay«, sagte Rhoswen. Zusammen mit Rasputin sah sie ihm nach.
    Eine Runde fliegen. Einen klaren Kopf bekommen.
    Na klar, als ob ihm das in den letzten Wochen irgendwas gebracht hätte. Aber er musste es auf einen Versuch ankommen lassen.
    Als Vampyr empfand Carling die Kälte nicht wie ein normaler Mensch. Was nicht bedeutete, dass sie die Abwesenheit von Wärme nicht gespürt hätte. Der Schutzzauber, der es ihr gestattete, sich im hellen Tageslicht aufzuhalten, war ein großer Triumph; manchmal aber hatte dieser Sieg einen schalen Beigeschmack, denn die wohltuende Wärme der Sonne würde sie niemals wieder auf ihrer Haut spüren.
    Sie sehnte sich nach Wärme und Licht. In jedem ihrer Häuser gab es in fast allen Zimmern einen Kamin. Nachdem Runes Gegenwart schließlich aus dem Raum gewichen war, kam er ihr klamm, dunkel und leer vor. Carling ging vor dem Kamin in die Hocke und stapelte viel Holz auf, weil sie große, fröhliche, helle Flammen wollte.
    Nachdem sie es angezündet hatte, schlang sie

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