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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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Pranken. Sein kräftiger Hals und Kopf nahmen die klare, scharfe Rundung eines Adlerkopfs an. Er hatte einen starken, scharf gebogenen Schnabel, der so lang sein musste wie ihr Unterarm, und einen großartigen, wilden Raubvogelblick. Im prallen Tageslicht der Wüste hatte er kupfer- und goldfarben geglüht. Im Licht des Hexenmonds waren seine Farben dunkler und schärfer, Bronze mit Konturen aus blassestem Silber.
    Menschen waren nicht dafür gemacht, die Last der Unsterblichkeit zu tragen. Jeder Vampyr musste seinen eigenen Weg finden, mit dem hohen Alter fertig zu werden, sonst wurde er schließlich wahnsinnig. Das Leben war ein endloser Ansturm von Ereignissen, die zu Erinnerungen wurden. Um diesen Ansturm zu überleben, war es letztendlich am besten, ihn in einzelne Teile aufzuspalten. In den Korridoren von Carlings Geist gab es zahllose Türen, die sie vor der zermürbenden Unerbittlichkeit der Vergangenheit verschlossen hatte. Diese geschlossenen Türen waren unweigerlich auch zu Barrieren für andere Dinge geworden.
    Als sich Rune in die Lüfte schwang, öffneten sich mit einem Mal alle Vieltausenden Türen in allen Korridoren ihres Geistes, bis sie einsam und vollkommen nackt dastand. Sie fühlte sich wieder so, wie sie sich als Kind gefühlt hatte.
    Rune war eines der ältesten Mysterien der Erde. Er hatte schon existiert, bevor es Sprache gab. Während sie ihm zusah, wie er vor dem sternenbesetzten Hintergrund des Champagnermonds emporstieg, überkam sie abermals das Gefühl, ihre Seele würde sich von ihrem Körper lösen – genau wie es vor so langer Zeit dem Kind Khepri ergangen war.
    Als aus den zehn Minuten mehr als eine halbe Stunde geworden war, hörte sie auf zu warten und beschäftigte sich mit anderen Dingen.
    Die Bücher schrien, als Carling sie verbrannte. Das kreischende Geräusch krallte sich von innen in ihren Schädel.
    Dagegen war sie gewappnet. Sie hatte Rhoswen schwören lassen, das Haupthaus nicht zu verlassen. Das hatte zu einem unerwartet heftigen Streit geführt, und sie war es wirklich überdrüssig, dass alles zwischen ihnen so ein Kampf geworden war. Das würde sich ändern müssen.
    Dann hatte sie vor dem Kamin in ihrem Landhaus einen Zauberschutzkreis aus Salz ausgelegt und sich Wachs in die Ohren gestopft, das sie mit Myrrhe weichgemacht und mit duftendem Marinegras geschmiert hatte. Außerdem trug sie Lederhandschuhe, die sie so verzaubert hatte, dass keine Magie, ob hell oder dunkel, an ihnen haften bleiben konnte.
    Dennoch war es ein ungesundes, erschöpfendes Unterfangen, das sie viel zu lange hinausgeschoben hatte. Nur gut, dass sie nicht zu atmen brauchte, denn die aus dem Feuer aufsteigenden Dämpfe waren giftig. Am Ende der Bücherverbrennung war sie rußgeschwärzt und hatte schlechte Laune.
    Rune hatte etwas sehr Wichtiges gesagt. Sie musste mit einer gewissen Zähigkeit denken. Das würde ihr helfen, um ihr Leben zu kämpfen. Gleichzeitig musste sie so handeln, als würde sie bald sterben. Die schwarzmagischen Bücher waren zu gefährlich, um sie ohne Hüter zurückzulassen, und sie traute niemand anderem zu, sie zu besitzen, ohne schließlich der Versuchung zu erliegen, sie zu benutzen.
    Wenn sie nichts unternahm, würde sich die Magie der Bücher früher oder später durch die Bindungen fressen, die sie in den Schrank geschnitzt hatte. Entweder das, oder irgendein verdammter Dummkopf würde einen Weg finden, an sie heranzukommen. Irgendwo gab es immer einen verdammten Dummkopf, der sich für stark genug hielt, mit schwarzer Magie umzugehen, ohne von ihr verschlungen zu werden. Überheblichkeit, Grausamkeit, Gier und Dummheit. Das waren die Gründe, aus denen schwarze Magie so lange hatte überleben können. Diese Eigenschaften verleibten sich dunkle Mächte ein wie die köstlichsten Hors d’oeuvres.
    Das Feuer sollte reinigen, also hatte sie es aus Wacholderholz entzündet und es mit magischer Kraft geschürt, damit es übernatürlich heiß und schnell brannte. Nachdem das letzte Buch zu Asche zerfallen war, streifte sie ihren Kaftan und die Handschuhe ab und warf beides ebenfalls ins Feuer. Dann griff sie nach den Wasserkrügen, die sie unter dem Hexenmond aufgestellt hatte, und goss einen Krug des mondlichtgefüllten Wassers über die Asche. So hatte eine dreifache Reinigung stattgefunden: durch Salz, Feuer und Wasser.
    Als sie endlich fertig war, nahm sie die beiden anderen Krüge mit ins Badezimmer des Landhauses. Mit viel weicher Seife aus Eukalyptus,

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