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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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sie eine Flasche Cabernet Sauvignon und goss sich ein Glas ein. Sie vertrug kein Blut und keinen Blutwein mehr, und Alkohol hatte auf Vampyre keine Wirkung, doch sie konnte zumindest den Geschmack genießen. Während sie an ihrem Glas nippte, lauschte sie auf die Vögel, die draußen mit dem Überschwang des frühen Morgen zu singen begannen.
    Dann verstummten sie abrupt, und Carling hörte den Ansturm gigantischer Schwingen. Bei diesem Geräusch machte ihre Seele einen Freudensprung. Bedächtig stellte sie ihr Weinglas auf dem Tisch ab, stand auf und wandte sich der offenen Tür zu.
    Augenblicke später wurde der Türrahmen von Runes langgliedrigem Körper und seiner heißen, sonnengleichen Ausstrahlung ausgefüllt. In der Zwischenzeit hatte er sich rasiert und umgezogen und trug nun ein schwarzes T-Shirt, das sich an seinen langen, muskulösen Oberkörper schmiegte, und eine andere ausgeblichene, an den Knien zerrissene Jeans. Seine Haare waren vom Wind zerzaust, und er roch nach gesunder Männlichkeit und salziger Meeresluft. Als er sie mit seinen Löwenaugen ansah, spürte sie eine Verbindung zwischen ihnen, die sie bis zu den nackten Zehen durchfuhr.
    »Mir ist aufgefallen, dass die zehn Minuten schon seit einer ganzen Weile um sind«, sagte sie.
    Aus einigen Schritten Entfernung konnte sie hören, wie sein Herz in einen schnelleren Rhythmus fiel und mit festen, kräftigen Schlägen die unbändige Energie seines Körpers nährte. »Offenbar habe ich mehr als zehn Minuten gebraucht«, sagte Rune.
    Gebieterisch hob sie eine Augenbraue. »Hast du wegen irgendetwas geschmollt?«
    »Nein«, sagte er. »Ich habe nachgedacht.«
    »Und dafür hast du die ganze Nacht gebraucht?«
    Die Muskeln in seinen sonnengebräunten Oberarmen wölbten sich, als er die Arme verschränkte. Er betrachtete sie mit schräggelegtem Kopf. »Zum Denken«, sagte Rune mit betont gleichmäßiger Stimme, »sind viele Gedanken nötig.«
    »Also, das ist nun wirklich ganz die Grinsekatze. Ebenso wie deine Gabe, zu Zeitpunkten zu verschwinden, die für jeden außer dir ungelegen sind.« Sie versuchte, einen finsteren Blick aufzusetzen. Es schien ihr ein angemessener Ausdruck für einen solchen Morgen zu sein.
    »Versuchst du, Streit vom Zaun zu brechen?«, fragte er. Mit einem listigen Lächeln, bei dem seine weißen Zähne zu sehen waren, sah er sie an. »Wenn ja – geil.«
    »Ich weiß es nicht, ich habe mich noch nicht entschieden«, sagte sie.
    Er knurrte in die Küche: »Entscheide dich. Ich weiß einen guten Streit zu schätzen.«
    Sie begann, mit dem Fuß auf den Boden zu klopfen, und er senkte den Blick, um der Bewegung zu folgen. Nichts regte sich in seinem Gesicht, als er sich mit raubtierhafter Trägheit auf diesen Augenblick konzentrierte. Er wirkte wie eine faulenzende Katze, die zu bequem war, um zuzuschlagen, ihre Meinung jedoch jede Sekunde ändern konnte. »Du bist mitten in einem Gespräch weggegangen«, befand Carling.
    Sein Lächeln verschwand. »Ich weiß sehr gut, wann ich gegangen bin.«
    »Das Gespräch hat mich interessiert«, teilte sie ihm mit.
    Sein Mund verzog sich wieder zu dieser unglücklichen Linie. »Mich hat es ebenfalls interessiert, das kann ich dir versprechen.«
    »Insbesondere interessieren mich die Dinge, die ungesagt geblieben sind«, sagte sie. »Warum du so aufgebracht warst und warum du so plötzlich wegmusstest. Du warst auch schon aufgebracht, als ich wieder zu mir kam. Das war mir bis nach deinem Aufbruch entfallen. Du warst voller Aggression, als wolltest du dich auch da schon mit jemandem streiten. Ich möchte wissen, warum das so war und wer dich in diesen Zustand versetzt hat.«
    »Ich muss dir etwas sagen. Es wird nicht leicht auszusprechen sein und auch nicht leicht anzuhören.«
    »Also gut.« Carling nickte ihm knapp zu und murmelte eine Zeile aus Macbeth : » Then ’twere well it were done quickly . Dann wär’s gut, ’s wär schnell getan.«

7
    Sie wandte sich von ihm ab und wollte sich gerade wieder setzen, als ihr Blick auf den kalten Herd fiel. »Du hast schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen, du musst hungrig sein«, sagte sie. Wie viel Wyr normalerweise zu sich nahmen, hatte sie bei einigen außenpolitischen Anlässen und auch während der Reise nach Adriyel bezeugen können. Sie konnten horrende Mengen Essen verdrücken, insbesondere, wenn sie einen athletischen Körper hatten. »Brauchst du Nahrung?«
    »Nein, danke«, antwortete er. »Ich habe mir draußen etwas

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