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Der Kuss des Greifen

Der Kuss des Greifen

Titel: Der Kuss des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Morgan
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irrte.
     
    Lysandra lief hoch zur Corycischen Grotte des Parnassós, um die Neuigkeit zu verkünden. Sie hatte bereits ein Ziehen in den Beinen vom vielen Laufen. Berg rauf, Berg runter. Sie konnte schon bald keine Berge mehr sehen. Doch wenigstens bekam sie dadurch eine stärkere Beinmuskulatur. Womöglich diente diese ihrer Verkleidung als Mann. Zumindest war es heute noch nicht so heiß und es wehte ein lauer Wind vom Meer zu ihr herüber, was angenehm war mit den dicken Gewändern, die sie stets trug.
    Lysandra sah den Greifen auf einem Hügel oberhalb der Grotte sitzen. Er war ein majestätisches Tier, wunderschön und geheimnisvoll. Nur der Mann, der sich in dieser Form verbarg, war noch faszinierender. Sie begrüßte ihn und berichtete ihm die Neuigkeiten, denen er interessiert mit seitlich geneigtem Kopf interessiert zuhörte. Seine Raubvogelaugen glitzerten.
    »Ich werde nicht mit an Bord gehen, wenn das Schiff ablegt, sondern nachts zu euch kommen, denn tagsüber, in der Gestalt des Greifen, dürfte dies die Seeleute nur unnötigerweise verschrecken«, sagte Cel.
    »Und wenn du uns nicht findest?«, fragte Lysandra.
    »Ich werde mich von Aiolos und dem Schiffsführer über die Handelsrouten informieren lassen. Ich finde euch, seid euch dessen sicher.« Er wälzte mit dem gewaltigen Schnabel einen Stein beiseite. Ein Bündel kam zum Vorschein.
    »Nimm dies bitte in Verwahrung für mich.«
    Sie hob es auf. »Was ist da drin?«
    »Öffne es.«
    Lysandra erstarrte, als sie drei goldene Halsreifen erblickte. Einer davon – sie erkannte ihn als den, den Cel getragen hatte – war etwas größer als die beiden anderen, doch waren alle überaus wertvoll.
    »Warum mir? Du vertraust mir, obwohl ich ein Hellene bin?«
    »Sirona und ich können sie nicht tragen.«
    »Drei?«
    Cel nickte. »Sironas, meiner und der meiner Frau, sollte ich jemals heiraten. Doch keine Frau wird ein halbes Tier wollen, wie ich es jetzt bin.« In seinen Worten lag eine Traurigkeit, die ihr das Herz brach.
    Dass ihn keine Frau haben wollte, dessen war Lysandra sich keineswegs so sicher. Sie kämpfte gegen den Drang an, mit ihren Fingerspitzen der Linie seiner Lippen zu folgen. Würden sie so weich sein, wie sie aussahen?
    Lysandra schluckte. »Ich kann diese Verantwortung nicht tragen. Das ist sehr wertvoll. Was ist, wenn ich sie verliere oder sie gestohlen werden?«
    Cel sah sie eindringlich an. »Ich kann sie nicht vergraben oder hier zurücklassen, denn wer weiß, ob ich jemals nach Delphoí zurückkehre. Jedenfalls habe ich es nicht vor.«
    Er wollte Delphoí also für immer verlassen. Ihre Wege würden sich nach diesem Abenteuer unwiderruflich trennen. Der Gedanke daran erfüllte sie mit Traurigkeit. Sie verbarg das Bündel in ihrer Kleidung, die sie am Leib trug.
    Celtillos maß sie mit einem eigentümlichen Blick. »Nimm bitte auch meinen Speer, das Schwert und den Schild«, sagte er, »und die Kleidung, die du daneben in der Corycischen Grotte findest. Ich möchte nicht überall nackt und unbewaffnet sein müssen. Außerdem sind zwei Kleider für Sirona dabei.«
    Kühle Luft schlug Lysandra entgegen, als sie die Grotte betrat. Ihre Augen mussten sich erst an das Halbdunkel hier gewöhnen. Tatsächlich lagen Cels Waffen dort und ein Bündel mit keltoischen Männer- und Frauenkleidern. Sie nahm alles an sich und verließ die Höhle wieder.
    »Ich danke dir«, sagte Cel mit einer rauen Stimme, die sie eigentümlich berührte. »Wir sehen uns spätestens in der Nacht nach der Abfahrt.«
    Lysandra nickte. »Pass auf dich auf. Es könnte sein, dass sie weitere Drachentöter aus Delphoí den Berg hinaufschicken.«
    »Das habe ich mir bereits gedacht. Sirona und ich sind stets umsichtig. Sie schleicht sich häufig in die Stadt, um von den Plänen der Menschen zu erfahren.«
    »Das könnte gefährlich für sie sein. Mit ihrem weißen Fell fällt sie auf.«
    Cel seufzte. »Das habe ich ihr auch schon gesagt, doch du weißt ja, wie eigenwillig Frauen sein können. Sie will unbedingt ihren Beitrag zu unserem Schutz und unseren Zielen leisten.«
    »Ich kann sie durchaus verstehen.« Und wie sie das konnte. Sirona und sie schienen einiges gemeinsam zu haben. Sie hoffte nur, dass ihr Plan aufgehen würde. Eine lange und gefährliche Reise stand ihnen bevor. Allein daran zu denken, konnte ihr schlaflose Nächte bereiten, daher vermied sie dies und konzentrierte sich lieber auf die Aufgaben, die vor ihr lagen. Auch eine solche Reise begann mit einem

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