Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss des Greifen

Der Kuss des Greifen

Titel: Der Kuss des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Morgan
Vom Netzwerk:
Schritt und einem weiteren, gefolgt von unzähligen anderen. Einzeln betrachtet waren sie bei Weitem nicht so einschüchternd, sondern machbar.
    Lysandra verabschiedete sich, da sie noch einige Dinge zu packen hatte. Zudem wollte sie Nerea und Damasos nicht allzu lange allein lassen, da sie immer noch befürchtete, einer von ihnen würde etwas ausplaudern. Man konnte nie wissen, was in deren Köpfen von sich ging. Vorsicht war angebracht.
    Als Lysandra den Berg hinunterlief, wusste sie, dass sie nicht nur mit Cel reisen würde, um ihrer eigenen aussichtslosen Zukunft zu entkommen. Sie wollte die Traurigkeit aus seinen Augen nehmen und ihn lachen sehen. Lysandra wollte, dass er und Sirona frei waren vom tückischen Zauber.
    Insgeheim hoffte sie, das Universum hätte aufgrund dieser guten Tat ein Einsehen mit ihr und würde jemanden schicken, der auch von ihr die Last nähme, etwas sein zu müssen, was sie nicht war.
     
    »Seht, der Milchbube Lysandros verlässt Delphoí zusammen mit seinem versoffenen Bruder Damasos und dem üblen Schwarzmagier Aiolos!«, rief Nikodemos, der am Hafen von Kirra aufgebracht hin- und herlief. »Ein Betrüger gesellt sich zum anderen. Offenbar ist Lysandros ebenso wenig ein Drachentöter wie dieser Hurensohn aus Heraklion ein Magier! Sonst würde er nicht so überstürzt die Stadt verlassen.«
    Lysandra ignorierte Nikodemos und ließ stattdessen ihren Blick schweifen. Ein derart weites Sichtfeld hatte sie, die in ihrem Leben nie aus Delphoí herausgekommen war, selten gekannt, außer wenn sie den Parnassós erklommen hatte.
    Doch von hier aus hatte sie einen ganz anderen Ausblick. Kirra war der einzige seeseitige Zugang zur heiligen Stadt Delphoí. Die Stadt war mit gewaltigen Mauern befestigt und besaß prachtvolle Statuen und zahlreiche Tempel, von denen einer sogar den Göttern Apollon, Artemis und Leto gemeinsam geweiht war.
    Aufgrund der klaren Sichtverhältnisse konnte Lysandra die zerklüftete Küste und die rauen Berge der Peloponnēssos auf der gegenüberliegenden Seite des Korinthiakós Kólpos, des Golfes von Korinth, erkennen. Lysandra hatte den Erzählungen der Alten genügend Gehör geschenkt, um zu wissen, dass dort drüben ein besonderer, harter Menschenschlag lebte.
    Das Handelsschiff legte ab. Lysandra genoss den Wind in ihrem Haar und den salzigen Duft des Meeres. Es fühlte sich nach Freiheit an und nach Abenteuern, etwas, das sie während ihres bisherigen Lebens hatte entbehren müssen.
    Offenbar war Aiolos bei den Phöniziern bekannt und geschätzt, denn es hatte ihm keinerlei Schwierigkeiten bereitet, sämtlichen Personen inklusive der weißen Katze eine Mitreise zu beschaffen – und das, obwohl diesmal überraschenderweise nicht sein langjähriger Freund Itthobaal, sondern dessen zweitältester Sohn Hiram das Kommando über das Handelsschiff hatte. Genau genommen war es sogar dessen erste längere Fahrt. Soweit Lysandra in Erfahrung bringen konnte, war er nicht als Erbe des Handelsimperiums vorgesehen. Doch da sein älterer Bruder auf einer anderen Route unterwegs war, hatte Hiram die Fahrt nach Delphoí auf sich genommen.
    Das phönizische Handelsschiff besaß hohe Steven und den Kopf eines Pferdes als Galionsfigur. Es barg gewiss mehr als hundert Mann. Zumindest erschien es Lysandra sehr groß und die Anzahl der Ruderer und Matrosen überraschte sie. Das Schiff hatte einen runderen, geräumigeren Rumpf als die Kriegsschiffe und ein großes, eckiges Rahsegel. Welche Handelsgüter geladen waren, wusste sie nicht.
    »Wenn das nur gut geht«, sagte Damasos, der Lysandra wütend anstarrte. »Das habe ich nur dir zu verdanken. Wie konntest du Nerea nur sagen, dass du weg willst? Wärst du halt einfach abgehauen.«
    »Das konnte ich nicht, nach alldem, was sie für mich getan hat.«
    Damasos schnaubte. »Bist du dir dessen sicher?«
    »Es tut mir leid, dir diese Unannehmlichkeiten eingebracht zu haben. Das wollte ich wirklich nicht. Ich konnte ja nicht ahnen, was sie vorhat.«
    »Gewiss konntest du das nicht.« Seine Worte klangen höhnisch. »Du bist ihr Lieblingssohn. Sie will nur nicht, dass dir was zustößt, wenn du allein in die Ferne ziehst. Ich bin wieder der Hornochse, der deinen dürren Arsch retten soll.«
    »Du musst dich irren, denn ihr Lieblingssohn bin ich gewiss nicht. Meinetwegen brauchst du nicht mitzukommen. Sag doch einfach, du hättest das Schiff verpasst.«
    »Sodass sie mir monatelang damit in den Ohren liegt? So ungern ich das auch zugeben

Weitere Kostenlose Bücher