Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss des Greifen

Der Kuss des Greifen

Titel: Der Kuss des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Morgan
Vom Netzwerk:
Männer dorthin. Mehr kann ich im Moment nicht tun. Die Stadt ist einfach zu groß.« Hiram wirkte aufrichtig besorgt um Lysandros, doch offenbar war er genauso hilflos, wie Aiolos sich fühlte. Karthago konnte schön sein, verwirrend, üppig – und alles verschlingend. Vor allem jedoch war die Stadt groß und unübersichtlich. Jemanden hierin zu finden, der nicht gefunden werden sollte, war so gut wie aussichtslos. Was, bei Zeus, sollte Aiolos Cel sagen? Oder Lysandros’ Bruder Damasos? Sie würden ihn in der Luft zerreißen, zumal ihm selbst dadurch das Abenteuer, in die Unterwelt reisen zu können, versagt sein würde. Doch vor allem machte er sich wirklich ernsthafte Sorgen um Lysandra, denn sie war ihm in der letzten Zeit ans Herz gewachsen. Auch ihr Geheimnis war bei ihm sicher, nicht nur, weil er keineswegs die Absicht hatte, nach Hellas zurückzukehren.
     
    »Lysandros ist weg?« Cel starrte Aiolos an, der schuldbewusst dreinblickte. Sie standen an Bord der Tanith . Erst wenige Minuten zuvor hatte er die Greifengestalt abgelegt.
    »Vermutlich entführt«, sagte Aiolos. »So etwas kommt vor in einer so großen Stadt wie Karthago. Hiram hat mehrere Suchmannschaften losgeschickt, doch leider vergeblich. Es ist so gut wie unmöglich, dort jemanden wiederzufinden.«
    Cel stieß eine Reihe von Flüchen in seiner Sprache aus. Er brauchte Lysandra. Sie war sein Schlüssel in die Unterwelt, der Schlüssel zu Sironas Leben und seiner Zukunft als Mensch! Cel machte sich Vorwürfe, denn er hatte versagt. Er hätte sie niemals allein in die Stadt gehen lassen sollen, doch in seiner Greifengestalt hätte er sie nicht begleiten können, ohne Aufruhr zu erzeugen.
    Wieder verfluchte er es, kein richtiger Mensch mehr zu sein. Würde er sich nach Gutdünken verwandeln können, wäre dies etwas anderes, doch gegen seinen Willen vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahl in die Gestalt eines Ungeheuers gebannt zu sein, gab ihm in solchen Situationen ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit. Gerade jetzt, wo er des Greifen Flugfähigkeit brauchte, stand sie ihm nicht zur Verfügung. Er wollte Lysandra suchen, doch das Schiff war bereits zu weit vom Hafen von Karthago entfernt, um zu schwimmen oder mit einem Beiboot zurückzurudern. Außerdem lag Hiram mit seiner Vermutung, dass Lysandra gewiss bereits aus der Stadt herausgeschafft worden war, mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig. Niemand verkaufte auf kriminelle Weise erworbene Sklaven in derselben Stadt.
    Warum hatte er nichts von Lysandras Entführung mitbekommen? Er hätte sie aus der Höhe beobachten sollen. Doch was hätte er tun sollen? Die halbe Stadt wäre aus Angst auf ihn losgegangen, wogegen er auch in Greifengestalt nicht angekommen wäre. Wo sollte er jetzt jemanden mit Lysandras Fähigkeiten herbekommen, um Sirona zu befreien? Doch wollte er überhaupt jemand anderen als sie?
    Allein der Gedanke, dass ihr etwas zustoßen könnte, ließ Panik in ihm aufsteigen. Sie war ihm alles andere als gleichgültig und austauschbar schon gar nicht. Sie womöglich niemals wiederzusehen, verursachte einen dumpfen Schmerz in seinem Brustkorb. Würde Lysandra sterben oder ein Leid zugefügt werden, so würde derjenige, der dies verschuldete, bitter dafür bezahlen, das schwor er sich. Doch dann war es womöglich bereits zu spät für sie. Er musste Lysandra so schnell wie möglich finden, doch ziellos umherzurudern würde ihn nicht zu ihr führen. In der Greifengestalt blieben ihm weitaus mehr Möglichkeiten der Fortbewegung und des Kampfes.
    »Wollt Ihr mich nicht einweihen?«, vernahm er Hirams Stimme. »Oder denkt Ihr wirklich, ich wüsste nicht, wenn sich ein zusätzlicher Passagier auf meinem Schiff befindet?« Hiram trat näher. »Es ist mir gleichgültig, wer oder was Ihr seid, wenn Ihr nur Lysandros wiederbringt. Es ist schlecht für meinen Ruf, wenn meine Passagiere entführt werden.« Die Besorgnis in seinem Blick stand im Widerspruch zu seinen lapidaren Worten.
    »Ihr habt mich gesehen?«
    Hiram nickte. »Und ich war nicht der Einzige. Belzzasar war bei mir und einer der Ruderer. Die anderen waren vermutlich zu beschäftigt. Ein paar haben Euch schon früher aus der Ferne erblickt, Euch jedoch für eine der Harpyien gehalten. Ihr seid also ein Gestaltwandler. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es so etwas wirklich gibt.«
    »Tja, ich auch nicht.«
    »Ihr könnt Euch willentlich verwandeln?«
    »Das ist etwas komplizierter. Es kostet natürlich Kraft.«

Weitere Kostenlose Bücher