Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
Vom Netzwerk:
wahrscheinlich nicht zum ersten Mal.
    Sie brausten durch die enge Straße bis zur Kreuzung mit der breiten
Rue Monge. Gegenüber führte die Rue Lacépède schnurgerade weiter, doch dort war
kein Taxi zu sehen. Sobald er um die Bäckerei an der Ecke spähen konnte,
blickte Jean nach rechts. »Nichts!«
    »Da!« Tiévant trat wieder aufs Gaspedal und schnitt einem alten Mann
den Weg ab, der gerade den Zebrastreifen betrat. »Merde! Das war knapp.«
    Besorgt sah sich Jean kurz nach dem Alten um, der ihnen
gestikulierend etwas nachrief – vermutlich ein paar derbe Flüche. Rasch drehte
er sich wieder um und hielt nach dem Taxi Ausschau. Nur drei Autos vor ihnen
entdeckte er das Schild auf dem Dach der silberfarbenen Limousine.
    »Jetzt noch mal zum Mitschreiben«, verlangte Tiévant. Endlich legte
er die Waffe im Seitenfach ab, wobei er die Straße nicht aus den Augen ließ.
»Was hat Lenoir mit dem Verschwinden dieses Mädchens zu tun?«
    »Vielleicht nichts«, gab Jean zu. »Aber ich habe Grund zu der
Annahme, dass sie jetzt Lil… Céline an Sophies Stelle
opfern wollen.«
    »Du meinst das ernst? Du glaubst wirklich, dass sie bei ihrem
Hokuspokus Menschen umbringen?«
    »Schon mal von Charles Manson gehört?«, gab Jean säuerlich zurück.
    »Ist das dieser Rockstar, der wie ein Toter rumläuft?«
    Jean verdrehte die Augen. Da aus Tiévants Kopfhörer beim Joggen
stets Hip Hop dröhnte, wusste er es wohl nicht besser. »Nein. Aber du solltest
den Namen mal googlen, wenn du verstehen willst, wovon ich rede. Diese Leute
betreiben schwarze Magie nicht als harmlosen Party-Gag. Die beschwören Dämonen
oder den Teufel selbst und glauben, dass er ihnen zu umso mehr Macht und
Reichtum verhilft, je blutiger ihre Opfer sind. Mit Hühnern fängt das an, aber
die drehen immer mehr ab.« Es hatte keinen Sinn, einem Ungläubigen erklären zu
wollen, dass die Dämonen ihre Anhänger immer tiefer in Wahnvorstellungen
trieben. »Wie das endet, kannst du an dem Toten aus der Rue des Barres
besichtigen.«
    Tiévant verzog das Gesicht. »Der sah echt übel aus. Und du hast
damals schon gesagt, dass er zu Caradecs Zirkel gehörte. Schätze, Gournay hat
das nicht gerade als heiße Spur betrachtet.«
    Wahrscheinlich nicht. »Jedenfalls weiß
ich, dass Céline zu einem eher harmlosen Zirkel gehörte. Kinderkram, wenn du so
willst.« Jean verstummte, als eine rote Ampel sie zum Anhalten zwang. Das Taxi
entfernte sich. Noch verlief die Straße geradeaus, sodass er es im Auge
behalten konnte, doch wenn sie länger warten mussten …
    Der Brigadier murmelte einen Fluch und schielte angespannt zur Ampel
hinauf. »Na endlich!« Er gab Gas, musste jedoch sofort wieder abbremsen, da der
Wagen vor ihnen nur langsam in Fahrt kam. Die einsetzende Dämmerung verwischte
in der Ferne bereits Konturen und Farben. Jean musste die Sonnenbrille
abziehen. Bald würden sie nur noch rote und weiße Lichter sehen, wenn sie nicht
näher an das Taxi herankamen.
    »Scheiß drauf«, knurrte Tiévant, scherte aus und überholte, indem er
den Gegenverkehr mit seinem waghalsigen Manöver und der Lichthupe zur Seite
jagte. Das wilde Hupen der anderen blieb rasch hinter ihnen zurück.
    »Kannst du sie noch sehen?« Vergeblich lehnte sich Jean zum Fenster.
Ein Kastenwagen war vor ihnen aus einer Seitenstraße gebogen und versperrte ihm
die Sicht.
    »Ja, sie sind noch da. Erzähl, was es mit diesem Mädchen auf sich
hat. Die Eltern sagen, sie ist abgehauen.«
    »Ist sie wohl auch.« Wieder reckte sich Jean auf seinem Sitz. Musste
dieser verfluchte Lieferwagen ausgerechnet jetzt auftauchen? »Mich beunruhigt,
dass Caradec einen jungen Kerl aus ihrem Zirkel angeworben hatte, dem ich alles
zutraue. Und genau bei ihm soll sie sich aufhalten.«
    »Und warum folgst du dann Lenoir und lauerst nicht diesem Kerl auf?«
    »Weil ich nur seinen verdammten Vornamen kenne, aber sie wird mich
hoffentlich zu ihm führen.«
    »Lass mich raten! Der Typ heißt Maurice.«
    Er wollte antworten, doch der Verkehr lenkte ihn ab. Vor ihnen
trafen sechs Straßen sternförmig aufeinander. Der Lieferwagen bog nach rechts
ab, und hinter ihm kam das Taxi wieder in Sicht, das sich links hielt.
    »Avenue des Gobelins«, stellte Tiévant fest. »Irgendeine Ahnung, wo
sie hinwollen könnte?«
    Jean schüttelte den Kopf. »Vermutlich weiß ich weniger über sie als
du. Sie könnte einfach unterwegs zu einem Rendezvous sein oder ihre kranke alte
Mutter besuchen.«
    »Wenigstens wird sie um diese Zeit kaum

Weitere Kostenlose Bücher