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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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Clochards, die
sich die Nasen nach einem Akkordeon plattdrücken … Wie passend. »Was tut
sie?«, fragte er leise, da Tiévant die bessere Position hatte.
    »Sie geht zu einem Typen an den Tisch. Das könnte …« Tiévants
Gesicht nahm den Ausdruck eines Jägers an, der Beute gewittert hat. »Lass uns
weiterschlendern und da vorne um die Ecke verschwinden. Ich muss diesen Kerl
genauer sehen. Das könnte der Typ sein, den wir suchen.«
    Wir suchen einen Kerl? Meint er Maurice? Verwirrt setzte er sich in Bewegung und ärgerte sich, dass sich Tiévant zu
seiner Rechten hielt, sodass jener unauffällig zum Lokal hinüberblicken konnte,
während er vermeintlich Jean ansah.
    »Das waren noch Zeiten, als ich mit meinem Akkordeon am Place …«
    Jean hörte nicht weiter zu. Ihm ging auf, dass der Brigadier mit
»wir« wohl die Polizei gemeint hatte. Die Präsenz des Bösen bohrte sich ihm
förmlich in den Rücken. Er musste einen Blick riskieren. »Las uns ein’
drinken«, lallte er und torkelte vom Bürgersteig auf das Bistro zu.
    »Nee!«, rief Tiévant, erwischte ihn am Arm und zog ihn zurück. »Da
wolln’se uns doch eh nich’.«
    Der Moment hatte genügt. Jean war Kafziel nie begegnet, doch es gab
keinen Zweifel, mit wem Sylvaine dort am Tisch saß.

D ieses Mal
muss ich ein Buch mitnehmen, sonst fällt es langsam auf, fürchtete
Sophie, als sie sich dem L’Occultisme näherte. Sie
hatte sich gezwungen, nach ihrer Entdeckung nicht sofort aus dem Louvre zu
stürmen, und stattdessen in vorgeblicher Ruhe den Rest der Orient-Abteilung
besichtigt, um keinen Verdacht zu erregen. Mittlerweile platzte sie fast, weil
sie endlich jemandem von ihrem Erfolg erzählen wollte. Dass Raphael
verschwunden war, seit sie sich im Museum getrennt hatten, enttäuschte sie,
aber eigentlich wollte sie ohnehin lieber Jean davon berichten, der ihre
Aufregung teilen und verstehen würde. Die Versuchung, mit der Métro ins Marais
weiterzufahren und zum La Martinique zu laufen, war
groß gewesen. So groß, dass sie erst im letzten Moment aufgesprungen und
ausgestiegen war. Doch was hätte sie dort tun sollen? Wieder in den Keller zu
gehen und nicht mehr aufzutauchen kam ebenso wenig infrage, wie an die
Hintertür zu klopfen. Mit beidem hätte sie nur die B. C. auf Jeans Versteck aufmerksam gemacht. Auszuprobieren, ob sie ihn auf dem Handy
erreichte, das er im Gefängnis benutzt hatte, war ebenso undenkbar, also blieb
ihr nichts anderes übrig, als wieder einmal zum L’Occultisme zu pilgern.
    Sie grüßte Alex’ Vater, der an der Kasse eine Kundin bediente, und
traute sich nicht, ihn dabei mit der Frage nach seinem Sohn zu stören.
Vielleicht fand sie Alex weiter hinten beim Auffüllen oder beim Beraten.
Während sie die Regale entlangging, hielt sie nach Büchern über die Sumerer und
Mesopotamien Ausschau, doch entweder übersah sie etwas oder Delamairs führten
nichts zu diesem Thema. Zwei weitere Kunden studierten die Titel oder
blätterten in ausliegenden Büchern, nur von Alex war nichts zu sehen. Gerade
als sie zurück zur Kasse gehen wollte, um sich nach ihm zu erkundigen,
polterten Schritte die Hintertreppe herab, und er erschien im Durchgang.
    »Salut, Sophie! Wie geht’s?«
    Hatte er einen Sonnenbrand? Sein sonst so blasses Gesicht sah
ungewohnt rot aus. »Gut, und selbst? Ich hoffe, es gab keine Besuche der …« Sie
senkte die Stimme, um von den Kunden nicht gehört zu werden. »… Polizei mehr.«
    »Ich weiß nicht. Ich könnte wetten, dass in den letzten Tagen ein
paar Leute hier waren, die nur so getan haben, als ob sie sich für Bücher
interessieren, aber ich kann mir das auch einbilden. Jean behauptet ja, ich sei
schon immer paranoid, aber allmählich fühle ich mich auch so.« Seine unbewegte
Miene verriet nicht, ob er es ironisch meinte.
    »Äh, okay.« Sie wusste nicht, was sie sonst erwidern sollte.
    »Was Batman angeht …« Er blickte vielsagend zu dem Kunden hinüber,
der eventuell nah genug stand, um etwas aufzuschnappen. »Er jagt hinter den
Entführern eines Mädchens her, aber er hat Alfred erzählt, dass sein neuer,
ziemlich weiblicher Robin auf der Suche nach dem Schlüssel ist. Kennst du die
Geschichte?«
    Sophie sah sich in einem hautengen Dress, das Cape um die Schultern,
eine venezianisch angehauchte Maske vor dem Gesicht – und musste grinsen. »Ich
weiß, wie es weiterging. Robin hat den Schlüssel entdeckt, konnte ihn aber
nicht mitnehmen, weil er von menschlichen und übermenschlichen

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